4.3. Maßstab bei der Beweiswürdigung
Overview
Obwohl sich in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern unterschiedliche Konzepte zum Beweismaßstab herausgebildet haben, ist diesen gemeinsam, dass die Beurteilung unter Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung erfolgen muss.
Der beim EPA übliche Maßstab bei der Beweiswürdigung ist das Abwägen der Wahrscheinlichkeit. Ausnahmsweise – im Wesentlichen im Einspruchsverfahren, wo nur der Einsprechende Zugang zu Informationen (Beweisen), z. B. zu einer angeblichen offenkundigen Vorbenutzung besitzt – verschiebt sich der Beweismaßstab vom Abwägen der Wahrscheinlichkeit zum zweifelsfreien Nachweis ("mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit").
Zu erwähnen sind auch Entscheidungen jüngeren Datums, die lange Ausführungen zum Beweismaßstab enthalten und die bisherige Rechtsprechung aufgreifen: T 2451/13 zur Bedeutung von "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" und T 545/08 zur Bedeutung des "Abwägens der Wahrscheinlichkeit" in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, das im allgemeinen Rahmen des Beweisrechts beleuchtet wird und das der Kammer zufolge nicht auf eine Wahrscheinlichkeit von 51 % reduziert werden kann.
Vgl. T 2466/13 zur fehlenden Notwendigkeit in diesem Fall, die Frage des erforderlichen Beweismaßes zu klären. So auch in T 768/20 und T 660/16 mit Verweis auf T 545/08 (Nrn 8 und 11 der Gründe).
- T 1708/18
Catchword:
1. The issue of which standard of disclosure applies when assessing the legal question of novelty and the issue of which standard of proof applies when assessing evidence and factual questions are distinct and unrelated. The fact that the standard of disclosure required for a finding of lack of novelty (or for allowing an amendment to the application under Article 123(2) EPC) is the standard of a direct and unambiguous disclosure is immaterial for the question of what standard of proof applies when considering evidence and factual issues in the context of novelty (or inventive step) (see point 16). 2. The standard of proof generally applied at the EPO for deciding on an issue of fact is the balance of probabilities. According to this standard, the EPO must base its decisions on statements of fact which, based on the available evidence, are more likely than not to be true. This standard also applies when examining factual issues in the context of novelty (see point 14).