4.3.5 Unvollständiges Vorbringen in Beschwerdebegründung oder Erwiderung – Artikel 12 (3) VOBK 2020 in Verbindung mit Artikel 12 (5) VOBK 2020
(i) Mangelnde Substantiierung von Anträgen
In T 2457/16 stellte die Kammer fest, dass die Vorgehensweise des Patentinhabers unvereinbar mit dem Erfordernis des Art. 12 (3) VOBK 2020 eines vollständigen Sachvortrags eines Beteiligten in der Beschwerdebegründung war, da er die in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen und deren Zweck nicht erläutert hatte und darüber hinaus durch einen pauschalen Verweis auf erstinstanzlich eingereichte Anträge, die "weiterhin hilfsweise gelten" sollten, ohne weitere Erläuterung offen gelassen hatte, welche Anträge in welcher Reihenfolge zu prüfen gewesen wären. S. auch T 1756/16.
In T 2115/17 stellte die Kammer fest, dass die bloße Kennzeichnung der vorgenommenen Änderung (ohne ihre Grundlage in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung anzugeben) es der Kammer und dem Beschwerdeführer (Einsprechenden) nicht ermögliche, den Grund für den betreffenden Antrag zu verstehen. Vielmehr blieb es der Kammer und dem Beschwerdeführer selbst überlassen, sich die Argumentation zu erschließen oder herzuleiten und entsprechende Antworten zu entwickeln. Dies widerspreche den Erfordernissen des Art. 12 (3) VOBK 2020 (vgl. T 687/15 unter Verweis auf Art. 12 (2) VOBK 2007).
(ii) Fehlende Ausformulierung der Ansprüche
In T 1421/20 wurden die Anträge 1a bis 5a in der Beschwerdebegründung eingeführt und kommentiert, Ansprüche wurden zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht eingereicht. Daher erfüllten sie nicht die Erfordernisse von Art. 12 (3) VOBK 2020, und es stand im Ermessen der Kammer, sie allein aus diesem Grund nicht zum Verfahren zuzulassen (Art. 12 (5) VOBK 2020). Da die Anträge nicht Teil der angefochtenen Entscheidung waren, galten sie ferner als Änderungen (Art. 12 (2) und (4) VOBK 2020).
(iii) Mangelnde Substantiierung von Einwänden
In T 2253/16 hatte der Beschwerdeführer (Einsprechende) in seiner Beschwerdebegründung lediglich vorgetragen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber dem Gegenstand von D4 sei, weil die angefochtene Entscheidung bezüglich eines Merkmals in sich nicht schlüssig sei. Die Kammer merkte an, dass aber eine Analyse des Dokuments D4 fehlte, aus der hervorginge, wo der Beschwerdeführer welche Anspruchsmerkmale offenbart sah. Sie betonte, dass die Beschwerdebegründung gemäß Art. 12 (3) VOBK 2020 das vollständige Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers enthalten muss. Sie könne insoweit auch nicht ohne Weiteres auf das Vorbringen im Einspruchsverfahren zurückgreifen, da dieses ausweislich des Art. 12 (3) VOBK 2020 nicht automatisch Teil des Beschwerdevorbringens ist. Daran ändere ein unspezifischer Verweis auf die Einspruchsschrift nichts, da Art. 12 (3) VOBK 2020 erfordere, dass ausdrücklich alle Tatsachen und Einwände anzuführen sind.
Auch in T 2796/17 stellte die Kammer fest, dass der Beschwerdeführer gemäß Art. 12 (3) VOBK 2020 deutlich angeben muss, aus welchen Gründen beantragt wird, die Entscheidung aufzuheben und er hierzu ausdrücklich alle geltend gemachten Tatsachen, Einwände und Beweismittel im Einzelnen anführen muss. Ein lediglich pauschaler Angriff der angefochtenen Entscheidung oder ein pauschaler Hinweis auf das Vorbringen im Einspruchsverfahren wird dem nicht gerecht.
Für weitere Fälle einer unzureichenden Substantiierung eines Einwands siehe z. B. T 2227/15 (im Hinblick auf Art. 12 (2) VOBK 2007, der, wie die Kammer feststellte, Art. 12 (3) VOBK 2020 entspricht), T 565/16 (Einwand gegen die Neuheit auf der Grundlage von D3, bloßer Verweis auf Vorbringen im Einspruchsverfahren). Siehe auch das Kapitel V.A.4.2.2 b) "Vorbringen in erster Instanz nicht automatisch Teil des Beschwerdevorbringens".
(iv) Unvollständige Vorbereitung des Falles
In J 3/20 machte der Beschwerdeführer den Grundsatz des Vertrauensschutzes erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Juristischen Beschwerdekammer geltend und gab an, dass er dem Inhalt einer Mitteilung in einem Parallelfall vertraut hätte, die er allerdings bereits 2016 erhalten hatte. Die Juristische Beschwerdekammer hob hervor, dass die Bedingung in Art. 12 (3) Satz 1 VOBK 2020 eine vollständige Vorbereitung unter Berücksichtigung aller verfügbaren maßgeblichen Dokumente verlangt. Somit war nach Ansicht der Kammer nicht ersichtlich, warum der Beschwerdeführer die neue Verteidigung und die zugrunde liegenden Tatsachen erst so spät im Verfahren vorgelegt und damit gegen Grundsätze der Verfahrensökonomie verstoßen hatte. Die Juristische Beschwerdekammer machte von ihrem Ermessen nach Art. 12 (4) VOBK 2020 und Art. 12 (6) VOBK 2020 und Art. 13 (1) VOBK 2020 Gebrauch, das neue Vorbringen nicht zuzulassen.
- T 2117/18
Catchword:
In order to substantiate an objection in the appeal proceedings which the Opposition Division did not consider convincing, it is necessary to provide specific reasons why the finding and the reasoning in the decision under appeal is supposedly incorrect with regard to this objection (Reasons 2.2.2-2.2.11). As a rule, in appeal proceedings general references to submissions made in the proceedings before the departments of first instance are not taken into account due to a lack of substantiation. Attaching the notice of opposition to the statement of grounds of appeal is to be considered equivalent to such a general reference to previous submissions (Reasons 2.2.13-2.2.14). An objection is to be considered to have been validly submitted only at the time on which sufficient substantiation is provided (Reasons 2.2.17).