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James G. Fujimoto, Eric A. Swanson and Robert Huber

Medizinische Bildgebung mittels optischer Kohärenztomografie (OCT)

Preiskategorie
Nicht-EPO-Staaten
Technisches Gebiet
Medizintechnik
Hochschule
Massachusetts Institute of Technology (MIT)
Den US-amerikanischen Ingenieuren James G. Fujimoto und Eric A. Swanson sowie dem deutschen Physiker Robert Huber ist es zu verdanken, dass Ärzte heute zur Früherkennung von Krebs, grünem Star (Glaukom) und anderen Krankheiten Echtzeitbilder von menschlichem Gewebe erzeugen können. Ihr revolutionäres bildgebendes Verfahren, die optische Kohärenztomografie (OCT) ist heute Standard bei Augenuntersuchungen.

Gewinner des Europäischen Erfinderpreis 2017

OCT-Systeme, die 1993 erstmals als klinischer Prototyp vorgestellt wurden, lösen ein Problem in der medizinischen Diagnostik, für das es zuvor lange keine Lösung gegeben hatte: eine genaue Beurteilung von Weichteilgewebe und Blutgefäßen - die für die Diagnose von Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ganz entscheidend ist - ohne invasiv vorgehen zu müssen, d. h. in den Körper eindringen zu müssen. Schon seit Langem werden Biopsien durchgeführt, aber dazu werden Gewebeproben aus der betroffenen Region entnommen. Als Ideallösung galt dieses Verfahren nie. Das erste Bildgebungsverfahren dieser neuen Art, die OCT, ermöglicht eine optische Biopsie: durch die Erstellung von 3-D-Bildern von Weichteilgewebe in Echtzeit und mit mikroskopischer Auflösung.

Fujimoto und Swanson begannen 1990 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston an dieser Entwicklung zu arbeiten, die schließlich zur Anmeldung von mehr als 50 Patenten führte. Der Durchbruch, der ihnen gelang, beruhte darauf, einen Laser auf das Weichteilgewebe zu richten und das "Echo", d. h. die zeitliche Verzögerung der Lichtstrahlen, zu messen. Die OCT, die zunächst für den Bereich der Augenheilkunde entwickelt wurde, ist dort inzwischen zu einem Standardverfahren geworden. 30 bis 40 Millionen Untersuchungen dieser Art werden jährlich durchgeführt.

Nachdem OCT-Geräte für die Augenheilkunde 1996 in den Handel gekommen waren, wurde die Technologie für weitere medizinische Bereiche adaptiert: 2004 kamen kardiovaskuläre OCT-Scanner, gefolgt von Geräten für den Einsatz in der Dermatologie (2010) und in der Gastroenterologie (2013).

Gesellschaftlicher Nutzen

Das Glaukom ist weltweit die zweithäufigste Erblindungsursache. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass die Anzahl der Fälle, in denen ein entsprechender Verdacht besteht, bei mehr als 60 Millionen liegt. Um den Sehverlust aufzuhalten, ist es wichtig, die Krankheit so früh wie möglich zu erkennen - dank OCT ist dies nun kein Problem mehr. Mit dieser Technologie steht Ärzten ein neues Werkzeug zur Verfügung, mit dem sie ernsthafte Augenerkrankungen bereits in einem frühen Stadium diagnostizieren können, solange sie noch therapierbar sind. So können der Verlust des Augenlichts und gefährliche Komplikationen in unzähligen Fällen verhindert werden.

Die weite Verbreitung und Verfügbarkeit sowie die Tatsache, dass die Kosten für OCT-Untersuchungen von vielen großen Krankenversicherungen übernommen werden, haben dazu beigetragen, die finanzielle Belastung für Patienten und betreuende Angehörige zu verringern. In neueren Anwendungsbereichen könnte die OCT ebenfalls zu großen Einsparungen führen: Die virtuelle Endoskopie des Magen-Darm-Trakts in der Gastroenterologie beispielsweise könnte jedes Jahr mehr als 600 Mio. EUR sparen. Die Möglichkeit, mittels dieser Technologie auch während einer Operation "Live-Bilder" zu generieren, hat zudem für mehr Sicherheit im OP gesorgt. Auch in der Arzneimittelentwicklung leistet die OCT ihren Beitrag, und sie hilft dabei, Krankheitsursachen besser zu verstehen.

Darüber hinaus liefert die OCT auch den Schlüssel zu nie dagewesenen Präzisionsniveaus in der genetischen Forschung, in der Materialprüfung, der Kunstkonservierung und der optischen Datenspeicherung.

Wirtschaftlicher Nutzen

Von Fujimoto und seinem Team entwickelte und patentierte Schlüsseltechnologien wurden von dem Unternehmen Carl Zeiss gekauft, das als Anbieter von Lösungen in der Optik und Optoelektronik heute marktführend in diesem Bereich ist. Im Geschäftsjahr 2015/2016 erwirtschaftete die Geschäftseinheit "Ophthalmologische Systeme" des Unternehmens - dort sind die OCT-Lösungen angesiedelt - Einnahmen von 421 Mio. EUR. Dies ist ein Anstieg von 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, in dem die Einnahmen bei 392 Mio. EUR lagen.

Das Erfinderteam rief auch eigene Start-ups ins Leben, darunter Advanced Ophthalmic Devices (1992) und LightLab Imaging (1998), die von Fujimoto und Swanson gegründet wurden, und die Optores GmbH (2013), deren Mitgründer Robert Huber war. Die Erfindung hat einen florierenden Markt mit beachtlichen Gründungsaktivitäten hervorgebracht: Etwa 16 000 qualifizierte Mitarbeiter, von Ingenieuren bis zum Krankenhauspersonal, sind im OCT-Sektor beschäftigt. Aktuell gibt es über 100 Unternehmen, die OCT-Systeme und -Komponenten liefern, und weltweit sind mehr als 50 000 OCT-Systeme im klinischen Einsatz.

Zwischen 1996 und 2016 generierte OCT Gesamteinnahmen von mehr als 4,77 Mrd. EUR und kann daher sicherlich als "Blockbuster-Technologie" bezeichnet werden. Branchenexperten von BioOpticsWorld bezifferten das Einkommen, das 2015 mit OCT-Systemen weltweit erwirtschaftet wurde, auf schätzungsweise 688 Mio. EUR. Analysten von Research and Markets gehen davon aus, dass der OCT-Markt mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 12 Prozent wächst und bis zum Jahr 2020 einen Gesamtwert von mehr als 1,5 Mrd. EUR erreicht.

 

Funktionsweise

Vor der Entwicklung von OCT hatte die Wissenschaft keine adäquaten Methoden, um Auffälligkeiten in Weichteilgewebe zu erkennen, beispielsweise Augen- oder Magentumoren, oder Verstopfungen in Blutgefäßen, die mit Röntgenuntersuchungen oder MRT nicht sichtbar gemacht werden konnten.

Das Prinzip, das hinter der OCT-Technologie steht, ist ähnlich wie beim Ultraschall. Aber anstelle von Schallwellen nutzt dieses System das "Echo" von Lichtstrahlen, die durch das menschliche Gewebe gebrochen werden. Bei dieser Technologie sind keinerlei Kontrastmittel oder vorbereitende Maßnahmen für das Gewebe erforderlich.

Eine OCT-Untersuchung dauert nur wenige Minuten. Sie besteht aus drei Schritten. Mit einem Kurzpulslaser wird Nahinfrarotlicht auf das Weichteilgewebe gerichtet, so dass es etwa 1 bis 2 Millimeter tief in das Gewebe eindringt. Das vom Gewebe gestreute Licht lässt anatomische Besonderheiten sichtbar werden, wenn man es mit einem Referenzstrahl ungestreuten Lichts vergleicht. Dann werden die Daten des Lichtstrahls von speziellen Computerprogrammen verarbeitet und in Bilder mit mikroskopischer Auflösung umgesetzt.

Die Erfinder

Fujimoto promovierte 1984 am MIT in Elektrotechnik und Informatik und lehrt auch heute noch dort. Er ist heute einer der führenden Forscher am Labor für Elektronikforschung (RLE) des MIT und des Fachbereichs Elektrotechnik und Informatik. Bei 15 Patentfamilien ist er als Erfinder oder Miterfinder genannt. Mehr als 450 Artikel in Fachzeitschriften und 9 Bücher hat er verfasst oder mitverfasst. Für seine Leistungen auf den Gebieten der medizinischen Bildgebung und der Augenheilkunde wurde Fujimoto mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Carl-Zeiss-Forschungspreis (2011), der "António Champalimaud Vision Award" (2012), der "IEEE Photonics Award" (2014), die Frederic-Ives-Medaille der Optical Society of America (2015) sowie der "Russ Prize" der United States National Academy of Engineering (2017).

Eric Swanson erwarb 1984 ebenfalls am MIT einen Master in Elektrotechnik. Er ist Mitverfasser von 81 Artikeln in Fachzeitschriften, sprach auf 142 Kongressen und ist Miterfinder von mehr als 40 Patenten. Er hat auch mehrere Unternehmen gegründet, darunter 1998 Coherent Diagnostic Technologies (das später zu LightLab Imaging wurde), bei dem auch Fujimoto Mitgründer war, und das als weltweit erstes Unternehmen OCT-Systeme für den Einsatz in der Kardiologie lieferte. Swanson hat ebenfalls viele Auszeichnungen erhalten, beispielsweise den "Rank Prize" in Optoelektronik (2002), den "António Champalimaud Vision Award" (2012) und den "Russ Prize" der United States National Academy of Engineering (2017).

Der Laserspezialist Robert Huber erwarb 1998 ein Diplom an der Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU), 2002 promovierter er. Er hat 100 Publikationen veröffentlicht, die einem Peer Review unterzogen wurden, ist in 7 europäischen Patentanmeldungen als Erfinder genannt und hat zweimal Fördergelder des Europäischen Forschungsrats erhalten. Huber, der heute Professor am Institut für biomedizinische Optik der Universität Lübeck ist, hat 2013 das in München ansässige Unternehmen Optores GmbH mitgegründet, um ein OCT-System zu entwickeln, das mit einem Ultrakurzpulslaser arbeitet. Huber wurden der Albert-Weller-Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker (2003), der Rudolf-Kaiser-Preis (2008) und der Klung-Wilhelmy-Weberbank-Preis (2013) verliehen.

 

Wussten Sie das?

Fokussiertes Licht kann verheerende Auswirkungen auf das menschliche Auge haben, auch wenn es aus ganz kleinen Geräten wie einem Laserpointer, den man in der Hand hält, stammt. 2015 meldete die amerikanische Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachungsbehörde (FDA) mehr als 5 000 Augenverletzungen durch Laserpointer. Nach den Vorschriften der FDA dürfen Handlaserpointer maximal 5 Milliwatt an Lichtleistung abgeben.

Die Gefahr, die von Lasern ausgehen kann, ließ Fujimoto nicht davor zurückschrecken, sich 1993 freiwillig als erste Testperson für den Prototyp eines OCT-Geräts zur Verfügung zu stellen. Er erschien zum Versuch, nahm seine Brille ab und erklärte, er sei bereit, sich das Laserlicht von der Apparatur direkt auf sein Auge richten zu lassen. Das OCT-Gerät erwies sich als sicher und hat sich mittlerweile so sehr durchgesetzt, dass es das bildgebende Verfahren ist, das in der Augenheilkunde heute weltweit am häufigsten eingesetzt wird.

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