Leichtere Karosseriebauteile aus höchstfestem und verzinktem Stahl für nachhaltigen Verkehr: Österreichische und deutsche Physiker und Ingenieure als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2023 nominiert
- Josef Faderl und seine Kollegen entwickelten einen Werkstoff und ein Fertigungsverfahren zum Einsatz verzinkter Stahlbleche für höchstfeste und nachhaltigere Fahrzeugteile mit deutlich reduziertem Gewicht
- Das Verfahren macht den Stahl im Vergleich zu konventionellen Stahlgüten bis zu sechsmal fester
- Mit diesem Fertigungsverfahren werden jährlich Fahrzeugteile für mehr als fünf Millionen Fahrzeuge führender Automobilhersteller hergestellt
München, 9. Mai 2023 – Presshärtender Stahl wird von allen wichtigen europäischen Automobilherstellern verwendet. Er macht in der Regel 10 bis 20 % des Gewichts der Rohkarosserie eines Fahrzeugs aus. Eine Gewichtsreduzierung der Fahrzeugteile bei gleichzeitiger Erhöhung ihrer Stabilität und dem bewährten Korrosionsschutz der Verzinkung führt zu mehreren Umweltvorteilen. Josef Faderl, Siegfried Kolnberger, Thomas Kurz und Andreas Sommer haben ein Fertigungsverfahren zur Herstellung von Fahrzeugteilen aus verzinktem pressgehärtetem Stahl entwickelt. Für ihre Arbeit wurden Faderl und sein Team nun als Finalisten der Kategorie „Industrie“ des Europäischen Erfinderpreises 2023 ausgewählt. Die diesjährige Ausgabe umfasste insgesamt über 600 Kandidaten.
Sicherere Karosserieteile mit nachhaltigem Nutzen
Faderl und sein Team vom österreichischen Stahl- und Technologiekonzern voestalpine haben eine ineinandergreifende Werkstoff- und Härteverfahrenstechnologie entwickelt, bei denen das Zink die hohen Temperaturen übersteht. Diese stabilen, leichten und verzinkten Stahlteile ermöglichen den Bau leichterer Autos. Das Martensitgefüge, das während des Presshärtens nach der Abschreckung des auf ca. 900 °C erhitzten Stahls entsteht, macht den Stahl bis zu sechsmal fester als konventionellen Stahl. Der Leichtbau macht die Automobile aufgrund des geringeren Kraftstoffverbrauchs nachhaltiger. Darüber hinaus verursacht die Werkstoffherstellung weniger Emissionen, da weniger Stahl erforderlich ist und Stahl im Vergleich zu alternativen Materialien wie Aluminium oder Kohlefaser kostengünstiger, emissionsärmer und besser recycelbar ist.
Nur sechs Jahre nach den ersten Gesprächen und der Entscheidung, die Entwicklung in Angriff zu nehmen, ging der Stahl mit dem Namen phs-ultraform® 2008 in Serie. Es werden jährlich weltweit über 30 Mio. Fahrzeugteile aus phs-ultraform® gefertigt und in mehr als fünf Millionen Fahrzeugen verbaut.
Schlüssel zum Erfolg sind Kreativität, kritisches Hinterfragen und das Verstehen wollen
Josef Faderl gehört seit 33 Jahren der voestalpine Stahl GmbH an, zunächst als Forscher und seit 1993 schließlich als Leiter eines Forschungs- und Entwicklungsteams. Das Unternehmen wurde mehrfach ausgezeichnet, insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit und Global Impact. Der österreichische Physiker berichtet, wie er vor über 20 Jahren damit begann, an einer neuen Technologie zu arbeiten, um die Widerstandsfähigkeit der Autokarosserie und damit auch die Sicherheit für Fahrer und Passagiere zu erhöhen.
Faderl und sein Team setzten ihr Vorhaben in die Praxis um, indem sie verzinkten Stahl und das zugehörige Fertigungsverfahren einführten, um der Nachfrage der Industrie gerecht zu werden. „Unsere Kunden wollten eine Beschichtung auf Zinkbasis haben, weil es aus Sicht des Korrosionsschutzes eine bessere Lösung im Vergleich zu einem passiven System wie der Feueraluminierung oder viel besser als unbeschichtetes Material ist“, sagt Faderl.
Als andere warnten, dass die Lösung mit Zink nicht funktionieren würde, blieben Faderl und sein Team hartnäckig und setzten ihre Tests fort. Er unterstreicht seine Überzeugung, dass jede Theorie trotz anfänglicher Zweifel getestet werden sollte: „Das Wichtigste ist, so kritisch wie möglich zu sein. Wenn du der Meinung bist, dass etwas nicht funktioniert, dann beweise es... Kreativität und kritisches Hinterfragen, sowie die Suche nach den Mechanismen dahinter sind unsere wichtigsten Erfolgsfaktoren.“
Faderl und sein Team gehören zu den drei Finalisten in der Kategorie „Industrie“ des diesjährigen Europäischen Erfinderpreises. Der Preis würdigt die Arbeit von Erfindern herausragender und kommerziell erfolgreicher Technologien, die sich große europäische Unternehmen patentieren ließen. Die Gewinner der Ausgabe 2023 werden am 4. Juli 2023 in Valencia (Spanien) im Rahmen einer feierlichen Zeremonie bekannt gegeben. Die Zeremonie wird online übertragen und ist für die Öffentlichkeit zugänglich.
Weitere Informationen über den Nutzen der Erfindung, die Technologie und die Geschichten der Erfinder finden Sie hier.
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Medienkontakte Europäisches Patentamt
Luis Berenguer Giménez
Principal Director Communication / EPA Pressesprecher
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Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Allen Erfindern muss ein europäisches Patent für ihre Erfindung erteilt worden sein. Lesen Sie mehr über die verschiedenen Kategorien, Preise, Auswahlkriterien und die Livestream-Zeremonie, die am 4. Juli 2023 stattfinden wird.
Über das EPA
Mit 6 300 Beschäftigten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das Amt, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinderinnen und Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist zudem weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.