T 1689/21 08-04-2024
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DRAINAGESYSTEM FÜR TÜR- UND FENSTERELEMENTE
Änderung des Vorbringens - Ausübung des Ermessens
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 3 043 017 nach Artikel 101 (2) und (3)(b) EPÜ zu widerrufen.
II. Die Einspruchsabteilung war unter anderem der Auffassung, dass der Hauptantrag und der Hilfsantrag 2 nicht die Erfordernisse des Artikels 100(a) bzw. 54 EPÜ erfüllten. Die während der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsanträge 1 und 7 ließ die Abteilung nicht zu. Daher hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Beweismittel berücksichtigt:
D1 DE 20 2013 003 423 U1
D6 WO 2014/167077 A1
D7 DE 20 2010 004 020 U1
D8 WO 2013/113914 A2
III. Die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hilfsantrags 7, der bereits der Einspruchsabteilung vorlag.
IV. Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Mit einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 8. April 2024 in Anwesenheit aller Parteien statt.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Hilfsantrags 7 hat folgenden Wortlaut (die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind durch Unterstreichung hervorgehoben):
"Drainagesystem zum Abführen von Oberflächenwasser im Schwellenbereich von Tür- oder Fensterelementen mit einer Drainagerinne (11) und wenigstens einem an eine erdgebundene Entwässerung anschließbaren Abfluss, wobei das Drainagesystem die Drainagerinne, ein Schwellenprofil (4, 4', 4") und ein Basisprofil (6, 6') aufweist, wobei das Basisprofil (6, 6'):"
- mit dem Schwellenprofil (4,4', 4") verbindbar ist, und
- mit der Drainagerinne (11) verbindbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass das Basisprofil (6, 6'):
- unterhalb des Schwellenprofils (4, 4', 4") des Tür-oder Fensterelements (1, 1', 1") angeordnet ist,
eine Stützfläche (30) zur Lastabtragung der Drainagerinne (11) aufweist und thermisch getrennt ausgeführt ist,
- und die Drainagerinne (11) jeweils über ihre gesamte Länge verlaufende Verbindungselemente (29, 24) zur form- und/oder kraftschlüssigen Verbindung untereinander aufweisen und
- eine, vorzugsweise federnd ausgeführte, Aufnahme (29) für einen korrespondierenden Klemmsteg (24) der Drainagerinne (11) aufweist."
VII. Die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei neu gegenüber jedem der Dokumente D7 und D8 und beruhe ausgehend von D1 auf erfinderischer Tätigkeit.
VIII. Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber jedem der Dokumente D7 und D8 und beruhe ausgehend von D1 in Zusammenschau mit D7 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Drainagesystem aus einer Drainagerinne 11, einem Basisprofil 6 und einem Schwellenprofil 4. Ein solches Drainagesystem wird mit einer Tür oder einem bodentiefen Fensterelement verwendet. Es dient dazu, das sich bei Regen sammelnde Oberflächenwasser abzuführen, damit es nicht durch die Dichtungen am unteren Rand der Tür bzw. des Fensters in den Innenraum gelangt. Das Basisprofil 6 ist sowohl mit der Drainagerinne 11 als auch mit dem Schwellenprofil 4 verbindbar. Die Verbindung zur Drainagerinne erfolgt form- und/oder kraftschlüssig mittels einer Aufnahme 29 am Basisprofil 6 für einen Klemmsteg 24 der Drainagerinne 11, z.B. durch die in Absatz 0023 der Patentschrift genannte "Klipstechnik". Da das Basisprofil 6 unterhalb des Schwellenprofils 4 angeordnet ist, lassen sich mit dem Drainagesystem die beiden Gewerke "Tür- und Fenstermontage" und "Pflasterarbeiten" aufeinander abstimmen, um eine effektive Flächenentwässerung zu erreichen, siehe Absatz 0008 der Patentschrift.
3. Zulassung zum Verfahren
3.1 Die Einspruchsabteilung hatte in Ausübung ihres Ermessens entschieden, den Hilfsantrag 7 mangels eindeutiger Gewährbarkeit nicht zuzulassen. Dabei vertrat die Abteilung die Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 dieses Hilfsantrags nicht neu gegenüber D7 sei, und ausgehend von D1 in Zusammenschau mit D7 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
3.2 Nach ständiger Rechtsprechung, siehe RdBK, 10. Auflage 2022, V.A.3.4.1 c), stehen die in die Ermessens-entscheidung eingeflossenen materiellrechtlichen Fragen zur Überprüfung durch die Beschwerdekammern. Hinsichtlich dieser Fragen, die den Kernbereich der Überprüfungskompetenz der Kammern ausmachen, haben diese das ihnen eingeräumte Ermessen selbst auszuüben. Somit ist auch eine prima facie Bewertung z. B. auf offensichtliche Fehler zu prüfen. In der mündlichen Verhandlung gelangte die Kammer aus den in den folgenden Kapiteln der Entscheidung genannten Gründen zur Auffassung, dass die Befunde der Einspruchs-abteilung zur mangelnden Neuheit bzw. mangelnden erfinderischen Tätigkeit nicht korrekt sind. Zudem gab die Beschwerdegegnerin Einsprechende während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu erkennen, keine Einwände mehr gegen die Zulassung von Hilfsantrag 7 zum Beschwerdeverfahren zu haben.
3.3 Daher entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 12(4) VOBK 2020, den Hilfsantrag 7 zuzulassen.
4. Änderungen
4.1 Die Beschwerdegegnerin Einsprechende hatte in ihrem Schreiben vom 31. März 2022 auf die Beschwerde der Patentinhaberin die Zulässigkeit der Änderungen in Anspruch 1 des Hauptantrags (erteilte Fassung) bestritten, siehe die Seiten 7 und 8 des Schreibens. Da Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 auf eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 6 gerichtet ist, betrifft der Einwand aus Gründen der Logik den für die vorliegende Entscheidung einzig relevanten Hilfsantrag 7.
4.2 In ihrer Mitteilung, Abschnitte 2.1 bis 2.3 hat die Kammer dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags beruht auf einer Kombination der Ansprüche 1-3 der veröffentlichten Anmeldung. Zusätzlich wurde das Merkmal M6 ("das Basisprofil (6, 6') ist mit dem Schwellenprofil (4,4',4'') verbindbar") in den Anspruch aufgenommen. Die angefochtene Entscheidung, siehe deren Abschnitt 12.1, befand, dass das Merkmal M6 in den Figuren 6-8 der Anmeldung anhand der dort gezeigten Rastnasen offenbart werde.
2.2 Nach Auffassung der Kammer impliziert der Begriff "verbunden" in den Absätzen 0027, 0033 und 0036 der Anmeldung, dass das Basisprofil 6 und das Schwellen-profil 4 (in Absatz 0027 fälschlich als Sockelprofil bezeichnet, siehe den korrekten Begriff in Absatz 0026) durch mindestens ein zusammenhaltendes Mittel zusammengefügt, also verbunden worden sind. Als Beispiel nennt Absatz 0033 aufgeschraubte oder aufgesteckte Zusatzprofile, und die Fachperson scheint wohl in Figur 1 zusammenhaltenden Mittel in Form von Rastnasen an den beiden Enden des Schwellenprofils zu erkennen. Nach vorläufiger Auffassung der Kammer können nur separate Gegenstände, die also unabhängig voneinander hergestellt und danach getrennt voneinander vorliegen, miteinander verbunden werden. Daher scheint bereits der Begriff "verbunden" in den Absätzen 0027, 0033 und 0036 der Anmeldung zu offenbaren, dass das Schwellenprofil und das Sockelprofil miteinander verbindbar sind.
2.3 Dessen ungeachtet fragt sich die Kammer, ob der Verweis in Absatz 0015 im allgemeinen Teil der Anmeldung auf Kupplungsmöglichkeiten am Basisprofil zur Verbindung mit weiteren Profilen eine Basis für diese Änderung darstellt. Die dort genannte, durch die Kupplungsmöglichkeiten bewirkte ("auf diese Weise") Befestigung an "bereits bestehenden Schwellenprofilen" scheint zu implizieren, dass das Basisprofil und ein solches Schwellenprofil miteinander verbindbar sind."
4.3 Die Beschwerdegegnerin hat dazu weder in ihrem Schreiben vom 27. März 2024 noch während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen. Somit bestätigt die Kammer den Befund der angefochtenen Entscheidung zu den Änderungen, wonach der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinausgeht.
4.4 Anspruch 1 gemäß dem für die vorliegende Entscheidung einzig relevanten Hilfsantrag 7 enthält gegenüber der erteilten Fassung die zusätzlichen Merkmale "[das Basisprofil] eine Stützfläche zur Lastabtragung der Drainagerinne aufweist" aus Absatz 13 im allgemeinen Teil der Beschreibung sowie "[das Basisprofil] thermisch getrennt ausgeführt ist" aus Anspruch 8 der veröffentlichten Anmeldung. Daher geht auch der Gegenstand dieses Anspruchs nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinaus.
5. Neuheit
Die Neuheit von Anspruch 1 wurde gegenüber jedem der Dokumente D7 und D8 bestritten. Aus den folgenden Gründen überzeugt keine dieser Angriffslinien die Kammer:
5.1 Das Dokument D7 offenbart eine Bodenschwelle I für den Flügelrahmen II eines Fensters oder einer Tür. Die Bodenschwelle ist aus Leichtmetall gefertigt und besitzt eine rechte, nach innen weisende sowie eine linke, nach außen weisende Auflagekante 17. Zwischen den beiden Auflagekanten befindet sich ein nach unten weisendes Verbreiterungsprofil 3 mit drei thermischen Trennungen 2, 21, 22. Zum Verbinden von Teilen der Schwelle bzw. des Verbreiterungsprofils sind drei Verbindungsmittel 31, 32, 33 vorgesehen, so dass Dämmmaterialien 51, 52, 53 und 54 in horizontaler Richtung zwischen den Teilen der Schwelle sowie in vertikaler Richtung zwischen den thermischen Trennungen und den Verbindungsmitteln angeordnet werden können, siehe die einzige Figur des Dokuments. Ein Mittelteil der Bodenschwelle enthält an seiner Oberseite zwei Aufnahmenuten 61, 62 für die Magnetdichtungen 71, 72 und an seiner Unterseite eine Aufnahme für eine Höheneinstellvorrichtung 4 in Form der Schraube 41 und der beiden Muttern 42, 43. Das Mittelteil der Bodenschwelle ist mittels der thermischen Trennung 2 und dem Verbindungsmittel 33 mit einem rechten, nach innen weisenden Teil der Schwelle verbunden. Außerdem ist das Mittelteil der Schwelle mittels der thermischen Trennung 21 und dem Verbindungsmittel 32 mit einem linken, nach außen weisenden Teil der Schwelle verbunden.
Da sich das Mittelteil unterhalb des Flügelrahmens befindet und zudem mit den beiden, die Auflagekanten 17 tragenden Teilen der Schwelle links und rechts vom Mittelteil über zwei thermische Trennungen und zwei Verbindungsmittel verbunden ist, kann das Mittelteil auch nach Auffassung der Kammer als ein von der Schwelle getrenntes Basisprofil angesehen werden. Jedoch ist die Kammer aus den folgenden Gründen nicht davon überzeugt, dass das Mittelteil unterhalb des Schwellenprofils des Tür- oder Fensterelements angeordnet ist:
5.1.1 In einer ersten Argumentationslinie vertrat die Beschwerdegegnerin die Ansicht, dass das Mittelteil aus zwei Bauteilen bestehe. Ein oberes Bauteil enthalte die Aufnahmenuten 61,62 für die Magnetdichtungen, und ein unteres Bauteil enthalte die Höheneinstellvorrichtung 4. Das untere Bauteil ende unterhalb der rechten Aufnahmenut 61 und unterhalb der Ablauföffnung 8, und erstrecke sich links vom Dämmmaterial 54, der thermischen Trennung 2 und dem Verbindungsmittel 33 bis zur thermischen Trennung 21, dem Verbindungsmittel 32 und dem Ablaufkanal 9. Ein solches unteres Bauteil befände sich zwar unterhalb der Schwelle des Fensterflügels II, wird aber nach fester Überzeugung der Kammer in D7 nicht als ein vom Schwellenprofil getrenntes Basisprofil offenbart. Denn das Mittelteil wird bei dieser Sichtweise willkürlich in ein oberes und ein unteres Bauteil unterteilt, ohne dass eine solche Unterteilung unmittelbar und eindeutig aus dem Dokument zu entnehmen wäre. Entgegen der Sichtweise der Beschwerdegegnerin werden dort nämlich keine getrennten Bauteile offenbart. Stattdessen ist die Darstellung der Ablauföffnung mit einer Mittellinie und gebogenen Linien an ihren beiden Enden in Figur 1 des Dokuments in dem Sinne zu verstehen, dass die Ablauföffnung durch eine Bohrung im Mittelteil erzeugt wird. Deswegen befindet sich im Bereich dieser Bohrung vor und hinter der Zeichnungsebene von Figur 1 noch Material des Mittelteils, mit dem dessen oberer, die Aufnahmenuten enthaltender Bereich mit dem unteren, die Höheneinstellvorrichtung enthaltenden Bereich zu einem Bauteil verbunden ist. Dessen Oberkante gehört unbestritten zur Schwelle des Fensterflügels und befindet sich somit nicht unterhalb eines Schwellenprofils. Die Zulassung dieser erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebrachten Argumentationslinie kann daher dahingestellt bleiben.
5.1.2 In einer zweiten Argumentationslinie vertrat die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass es für die Offenbarung eines anspruchsgemäßen Basisprofils in D7 gar nicht auf die Oberkante des Mittelteils ankomme. Laut den Absätzen 0014 und 0016 des Streitpatents werde durch das Basisprofil eine Verbindung der Drainagerinne mit dem Schwellenprofil erreicht, so dass nur der für diese Verbindung nötige Teilbereich des Mittelteils für die Frage relevant sei, ob das Basisprofil unterhalb des Schwellenprofils angeordnet sei. Die Kammer sieht das anders, da das Merkmal "Basisprofil unterhalb des Schwellenprofils ... angeordnet" keine Formulierung enthält, die nur auf einen Teilbereich des Basisprofils gerichtet ist. Ein solcher Teilbereich unterhalb der Oberkante lässt sich auch nicht aus dem allgemeinen Sprachgebrauch des Begriffs "unterhalb" ableiten. Die Beispiele "unterhalb des Dorfes erstreckt sich ein Wald", "die Wiese liegt unterhalb des Weges" oder "er hatte sich unterhalb des Knies verletzt", siehe https://www.dwds.de/wb/unterhalb, betreffen nur die relative Lage von Objekten, die sich nicht überlappen, bei denen also das obere Ende des zweiten Objekts nicht höher als das untere Ende des ersten Objekts liegt. Anderenfalls befände sich der Wald teilweise im Dorf, wäre der Weg teilweise mit Gras bewachsen, oder beträfe die Verletzung auch das Knie. Mithin ist das Merkmal nur global zu verstehen und betrifft das gesamte Basisprofil. Da im Dokument D7 die Oberkante des Mittelteils zur Schwelle des Fensterflügels gehört, befindet sich das Mittelteil nicht unterhalb des Schwellenprofils.
5.1.3 Daher gelangt die Kammer zum Ergebnis, dass D7 zumindest nicht das Merkmal von Anspruch 1 offenbart, wonach das Basisprofil unterhalb des Schwellerprofils des Tür- oder Fensterelements angeordnet ist. Wegen dieses Unterschieds ist es unerheblich, ob das Drainagesystem zum Abführen von Oberflächenwasser im Schwellenbereich geeignet ist.
5.2 Das Dokument D8 offenbart eine Bodenschwelle für ein Fenster oder eine Tür 8. Bei der in Figur 15 des Dokuments dargestellten und im unteren Absatz auf Seite 31 beschriebenen Bodenschwelle handelt es sich um eine Weiterbildung der in den Figuren 4 und 13 gezeigten Bodenschwellen mit doppelter thermischer Trennung 11,12 und einem oberen Grundkörper 1 mit Nuten für die Aufnahme zweier Magnetdichtungsstreifen sowie einem darunter angebrachten, zum Boden weisenden unteren Abschlusselement 2 aus Kunststoff. Eine Fachperson erkennt in den Figuren 4, 13 und 15, dass das jeweilige Abschlusselement 2 über Rastnasen mit einem darüber liegenden Grundkörper 1 der Bodenschwelle verbindbar bzw. verbunden ist. Die Bodenschwelle laut Figur 15 umfasst einen der Tür vorgelagerten Anschlussadapter 308 zur Verbindung mit der Wasserablaufrinne 306, 307, 309. Oberhalb des Anschlussadapters 308 und unterhalb der Tür 8 befinden sich der doppelt thermisch getrennte Grundkörper 13, 14 der Bodenschwelle und das darunter angebrachte untere Abschlusselement 2. Der Anschlussadapter 308 besitzt an seinem linken Rand eine Aufnahme für ein T-förmiges Verbindungselement am rechten Rand der Wasserablaufrinne. An seinem linken Rand wiederum ist der Anschlussadapter 308 durch das untere Abschlusselement 2 hindurch mit dem Grundkörper 1 verschraubt, also damit verbindbar bzw. verbunden.
Da Anspruch 1 nicht auf ein einteilig ausgebildetes Basisprofil beschränkt ist, sieht die Kammer die Kombination aus dem Anschlussadapter 308 und dem damit verschraubten unteren Abschlusselement 2 als ein zweiteiliges Basisprofil an. Aus den folgenden Gründen ist die Kammer aber nicht davon überzeugt, dass diese Kombination thermisch getrennt ausgeführt ist:
5.2.1 Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin Einsprechenden darin zu, dass das Basisprofil in Form der Kombination aus Anschlussadapter 308 und unterem Abschlusselement 2 thermisch trennende Eigenschaften aufweist. Während das Material des Anschlussadapters unbestritten nicht in D8 offenbart wird, soll das untere Abschlusselement laut Anspruch 7 des Dokuments aus einem die Wärme schlecht leitenden Material wie Kunststoff gefertigt werden. Auf diese Weise wird die Wärmedämmung verbessert, indem der Wärmedurchgang von oben nach unten in den Boden unterhalb der Bodenschwelle vermindert wird, siehe den ersten Absatz auf Seite 4 des Dokuments. Wegen der Ausbildung des unteren Abschlusselements aus Kunststoff und wegen dessen schlecht wärmeleitenden Eigenschaften ist das zweiteilige Basisprofil der D8 funktionell gesehen thermisch trennend ausgeführt.
5.2.2 Nach fester Überzeugung der Kammer ist das Merkmal "[Basisprofil ist] thermisch getrennt ausgeführt" jedoch nicht nur funktionell, sondern auch strukturell zu verstehen. Die bekannte Funktion einer thermischen Trennung wird dabei erreicht, indem das Basisprofil auf eine ganz bestimmte Weise geformt ist, die von einer Fachperson als thermisch getrennt angesehen wird. Diesbezüglich teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, siehe den zweiten Absatz auf Seite 9 ihrer Eingabe vom 8. März 2024, wonach für die thermische Trennung eines Profils mindestens drei Bauteile vorliegen müssen, so dass ein Bauteil die anderen beiden Bauteile thermisch voneinander trennt. Diese Auslegung wird durch die Verwendung des Begriffs "thermische Trennung" in den Dokumenten D7 und D8 bestätigt. Demnach besteht die thermische Trennung bei der Bodenschwelle aus einem die Wärme schlecht leitenden Material, das zwischen dem inneren Teil und dem äußeren Teil des Grundkörpers angeordnet ist, siehe den zweiten Absatz auf Seite 6 der D8. Das geschieht durch Einbringen der thermischen Trennungen in den Grundkörper, siehe den ersten Absatz auf Seite 10 der D8, so dass die thermischen Trennungen in dem Grundkörper angeordnet sind, siehe den ersten Absatz auf Seite 24. Die genannten drei Stellen der D8 bedingen nach Auffassung der Kammer, dass sich nach dem Einbringen einer thermischen Trennung das Material des Grundkörpers auf beiden Seiten der thermischen Trennung befindet. Auch im Dokument D7 wird der Begriff thermische Trennung mit dieser Bedeutung verwendet, wo die Aluminiumverbindung der Bodenschwelle durch thermische Trennung unterbrochen wird, siehe Absatz 0009 des Dokuments, so dass die thermischen Trennungen in der Bodenschwelle vorgesehen sind, siehe Absatz 0011. Bei dieser Auslegung des Merkmals "thermisch getrennt ausgeführt" kann bei dem zweiteiligen Basisprofil der D8, also der Kombination von Anschlußadapter 308 und unterem Abschlusselement 2, wegen des fehlenden dritten Teils keine thermische Trennung vorliegen.
5.2.3 Daher gelangt die Kammer zum Ergebnis, dass D8 zumindest nicht offenbart, dass die als Basisprofil angesehene Kombination von Anschlußadapter 308 und unterem Abschlußelement 2 thermisch getrennt ausgeführt ist. Wegen dieses Unterschieds ist es unerheblich, ob diese beiden Bauteile im Lichte des Fachwissens überhaupt als Basisprofil für ein Tür- oder Fensterelement angesehen werden können, ob das T-förmige Verbindungselement am rechten Rand der Wasserablaufrinne über deren gesamte Länge verläuft, ob die Aufnahme für das T-förmige Verbindungselement am Anschlußadapter 308 eine Stützfläche zur Lastabtragung der Rinne ausbildet, oder ob die Wasserablaufrinne wenigstens einen an eine erdgebundene Entwässerung anschließbaren Abfluss aufweist.
5.3 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der Offenbarung jedes der Dokumente D7 und D8, Artikel 54(2) EPÜ.
6. Erfinderische Tätigkeit
Die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 wurde ausgehend von D1 in Kombination mit D7 bestritten.
6.1 Das Dokument D1 offenbart ein Drainagesystem für den Schwellenbereich von Tür- oder Fensterelementen mit einem Drainagerohr 9 und wenigstens einem an eine erdgebundene Entwässerung anschließbaren Abfluss, siehe die Figuren 1a und 4 des Dokuments. Das Drainagesystem besitzt ein Schwellenprofil mit einem linken und rechten Abschlusskörper 31, 32 aus Aluminium, siehe Anspruch 5 des Dokuments. Zwischen den beiden Abschlusskörpern ist ein Trägerkörper 2 aus einem Material mit einem geringen Wärmedurchgangs-koeffizienten wie z.B. Kunststoff angeordnet, siehe Anspruch 4 des Dokuments.
6.2 Selbst wenn man den Trägerkörper in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Beschwerdegegnerin als Basisprofil ansieht, unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 von diesem Drainagesystem unter anderem darin, dass das Basisprofil thermisch getrennt ausgebildet ist. Laut Absatz 0049 der Patentschrift wird durch die thermische Trennung des Basisprofils eine Kältebrücke vermieden. Daher kann die diesem Unterscheidungsmerkmal zugrundeliegende objektive technische Aufgabe durchaus darin gesehen werden, die Wärmedämmung zu verbessern, siehe den vorletzten Absatz auf Seite 17 der Eingabe der Beschwerdegegnerin vom 31. März 2022.
6.3 Für die Frage der erfinderischen Tätigkeit ist entscheidend, ob die von D1 ausgehende Fachperson den zwischen den beiden metallischen Abschlusskörpern 31, 32 angeordneten Trägerkörper 2, der aus einem einzigen Kunststoffteil besteht, auf naheliegende Weise anhand der Absätze 0002 und 0004 der D7 in einen thermisch getrennten Trägerkörper umgestalten wird. Im Zusammenhang mit der Neuheit ist die Kammer bereits zu dem Ergebnis gelangt, dass für die thermische Trennung eines Profils mindestens drei Bauteile vorliegen müssen, so dass ein Bauteil die anderen beiden Bauteile thermisch voneinander trennt, siehe Absatz 5.2.2 der vorliegenden Entscheidung. Der einstückige Trägerkörper 2 der D1 müsste daher für eine thermisch getrennte Ausbildung in einen dreistückigen Trägerkörper umgestalten werden. Ausgehend von D1 ist ein solches Vorgehen aus Sicht der Kammer allerdings nicht naheliegend. Dort bewirkt der aus Kunststoff bestehende Trägerkörper 2 nämlich bereits eine thermische Trennung der Bodenschwelle, indem er zwischen den beiden Abschlusskörpern 31, 32 aus Aluminium angeordnet ist, so dass eine dreistückige, thermisch getrennte Bodenschwelle entsteht. Um die Wärmedämmung dieser Bodenschwelle zu verbessern, könnte die Fachperson durchaus das Material des Trägerkörpers optimieren und z.B. durch einen anderen Kunststoff mit einem noch geringeren Wärmedurchgangskoeffizienten ersetzen. Dagegen besteht keine Veranlassung dazu, den einstückigen Trägerkörper 2 durch eine Dreiteilung und den Einbau eines mittleren Bauteils mit thermischen Trenneigenschaften zusätzlich thermisch zu trennen.
6.4 Mithin wird der Gegenstand von Anspruch 1 mangels Veranlassung zu einer thermischen Trennung des Trägerkörpers der D1 nicht nahegelegt, so dass er gegenüber dem angezogenen Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ.
7. Aus diesen Gründen gelangt die Kammer im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass der Hilfsantrag 7 zuzulassen ist. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 enthält zulässige Änderungen, Artikel 123(2) EPÜ, und sein Gegenstand ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 54 und 56 EPÜ. Zudem ist die Beschreibung auf zulässige Weise an diesen Anspruchssatz angepasst worden.
Unter Berücksichtigung der nach dem Hilfsantrag 7 vorgenommenen Änderungen stellt die Kammer fest, dass das Patent die Erfordernisse des EPÜ erfüllt und somit nach Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Fassung aufrechterhalten werden kann.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, das Patent in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche:
1 - 14 des Hilfsantrages 7 wie bereits vor der Einspruchsabteilung eingereicht,
Beschreibung:
S. 1 - 13 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht, sowie
Zeichnungen:
Figuren 1 - 8 des Patents wie erteilt.