Mit „grünem“ Plastik zum Europäischen Erfinderpreis 2017: Gert-Jan Gruter als Finalist nominiert
- Niederländischer Chemiker Gert-Jan Gruter für den Erfinderpreis 2017 in der Kategorie „Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)" nominiert
- Gruter entwickelte den Biokunststoff PEF: eine umweltfreundliche Kunststoffalternative, die die Eigenschaften des Polyesters PET übertrifft
- PEF verringert CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen um bis zu 70%
- Benoît Battistelli, Präsident des Europäischen Patentamtes: „Gruter hat eine neue Methode entwickelt, um Biokunststoffe in industriellem Maßstab herzustellen."
München, 26. April 2017 - Gert-Jan Gruter hat die Vision, eine umweltfreundliche Alternative in der Plastikherstellung zu entwickeln. Ihm gelang, woran die Forschung hundert Jahre lang gescheitert war: große Mengen eines Moleküls aus pflanzlichem Zucker zu gewinnen, aus dem er einen vielversprechenden pflanzenbasierten Kunststoff entwickelte – PEF. Gruters Erfindung ist eine grüne Alternative zur herkömmlichen PET-Plastikflasche, die zudem Getränke länger frisch hält. Große Firmen arbeiten bereits seit 2013 mit ihm zusammen, um PEF-Flaschen weltweit auf den Markt zu bringen.
Für diese Leistung wurde Gert-Jan Gruter als einer von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2017 in der Kategorie „Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)“ nominiert. Am 15. Juni wird die Auszeichnung im Rahmen eines Festakts in Venedig zum zwölften Mal verliehen.
„Gert-Jan Gruter hat eine neue Methode entwickelt, um Biokunststoffe in industriellem Maßstab herzustellen.“, so EPA-Präsident Benoît Battistelli. „Seine Erfindung bedeutet einen großen Schritt nach vorne bei der Reduktion der Umwelteinflüsse durch Kunststoffe. Sie zeigt, dass wir einige unserer größten Herausforderungen mit Innovation überwinden können.“
Umdenken - der Umwelt zuliebe
Jedes Jahr werden ungefähr 300 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt und in einem so großen Produktangebot eingesetzt, dass eine Welt ohne die vielseitig verwendbaren Polymere nur schwer vorstellbar ist. Gert-Jan Gruter verbrachte viele Jahre mit Forschung an konventionellen erdölbasierten Kunststoffen und arbeitete dabei mit einigen der größten Unternehmen der Chemischen Industrie zusammen. Dabei erlebte er aber auch unmittelbar die negativen Auswirkungen der Erdölgewinnung und -Raffinierung auf den Planeten und fasste den Entschluss, neue, alternative Technologien zu entwickeln, die in großem Maßstab genutzt werden könnten.
Gemeinsam mit seinem Team arbeitete er bei dem niederländischen Chemieunternehmen Avantium an der Herstellung erneuerbarer pflanzenbasierter Kunststoffe mit dem Ziel, eine Alternative zu PET zu finden: „Für die dringende Wende von fossilen Rohstoffen zu erneuerbaren Kunststoffen müssen wir auf Biomasse setzen. Wir brauchen neue Materialien. Anders bekommen wir diese Wende nicht hin.“ Der Haken: Bislang hatte es niemand geschafft, den essentiellen Baustein Furandicarbonsäure (FDCS) in großen Mengen und günstig herzustellen. „In den letzten 100 Jahren sind mehr als 1.000 Publikationen und Patente über FDCA und seine Vorläufer erschienen“, sagt Gruter. „Letztlich führte aber keine Forschung und keines dieser Patente zu einer brauchbaren Methode, um das Material in großen Mengen und zu konkurrenzfähigen Preisen herzustellen.“
Mit Hilfe eines eigens entwickelten chemischen Prozesses namens YXY schaffte er mit seinem Forscher-Team jedoch das scheinbar Unmögliche. Die FDCS-Produktion wird inzwischen in großem Maßstab in einer Pilotanlage erprobt. Das Molekül wird zu einem Kunststoffgranulat – PEF – verarbeitet, aus dem sich Flaschen, Folien und Textilfasern fertigen lassen.
Eine bessere Alternative
PEF bietet entscheidende Vorteile für Produzenten und Verbraucher: Mit dem ersten erfolgreich produzierten PEF stellte das Forscher-Team um Gruter die erste Flasche her. „Und es zeigte sich, dass die Flasche außerordentliche Eigenschaften besitzt“, sagt der Chemiker. Behältnisse aus PEF halten beispielsweise Getränke länger frisch. Denn der Biokunststoff ist zehnmal weniger sauerstoffdurchlässig als PET. Kohlensäure hingegen wird fünfmal besser in der Flasche gehalten. „Es ist also ein Verpackungsmaterial, das die Haltbarkeit eines Lebensmittels verlängert“, so Gruter. Produzenten sparen an Material, da PEF ausgesprochen belastbar ist und Verpackungen somit dünnwandiger produziert werden können. „All das macht den Pflanzen-Kunststoff zu einem Material für die Zukunft“, prognostiziert der Wissenschaftler. Bei der Herstellung von Flaschen aus PEF werden darüber hinaus bis zu 70 Prozent weniger Energie benötigt und nur ungefähr ein Drittel der CO2-Emissionen von PET freigesetzt. Bis zu 70 Prozent kleiner ist zudem der CO2-Fußabdruck.
Große Partner
Gruters Firma Avantium ging im März 2017 an die Börse und konnte gleich 103 Millionen Euro Kapital gewinnen. Der Börsenwert betrug fast schon 310 Millionen Euro. Das Unternehmen mit heute etwa 150 Mitarbeitern ist auf dem besten Weg, PEF zu einer rentablen und weithin akzeptierten Alternative zu PET zu machen. Seit 2011 ist eine Pilotanlage für PEF in Betrieb. Um die Technologie auf den Markt zu bringen, schloss sich Avantium mit einigen der führenden Industrieunternehmen der Lebensmittel- und Flaschenherstellungsbranche zusammen und gründete 2016 das Gemeinschaftsunternehmen Synvina mit der BASF. Das Gemeinschaftsunternehmen plant eine Anlage in industriellem Maßstab mit einer Produktionskapazität von bis zu 50 000 Tonnen PEF pro Jahr in Antwerpen. Das Ziel ist es, PEF-Flaschen bis 2021 auf den Markt zu bringen und in der Plastikflaschen-herstellenden Industrie, die derzeit geschätzte 32 bis 37 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaftet, Fuß zu fassen.
Ein Meister der Biokunststoffe
Nachdem er seinen Doktorgrad in Metallorganischer Chemie an der Vrije Universiteit Amsterdam erlangt hatte, begann Gert-Jan Gruter seine Karriere bei DSM Research BV als Gruppenleiter für die Erforschung von Polyolefinkatalysatoren. 2000 wurde er Vize-Präsident Technologie beim niederländischen Chemieunternehmen Avantium. Seit 2004 ist er dort Technologievorstand. 2016 wurde er zum Teilzeit-Professor für „Industrielle Erneuerbare Chemie“ an der Universität von Amsterdam ernannt.
Gruter ist Verfasser und Mitverfasser von 30 wissenschaftlichen Arbeiten und wird als Erfinder oder Miterfinder von mehr als 100 Patenten und Patentanmeldungen geführt, europa- sowie weltweit. 17 europäische Patente betreffen allein das YXY-Verfahren. Der Wissenschaftler ist Mitglied verschiedener Ausschüsse, Beratungsgremien, politischer Gruppen und Programmkomitees, im industriellen wie im öffentlichen Bereich. Dank seiner Innovationen im Bereich der Biokunststoffe und dank des YXY-Prozesses wurden Gruter und Avantium mit einer Reihe Ehrungen und Preisen ausgezeichnet, darunter die Auszeichnung als Europäischer CTO (Chief Technology Officer) des Jahres 2014, der Innovation in Bioplastics Award (2013), die Auszeichnung als European Cleantech Company oft he Decade (2005-2014) und kürzlich die Aufnahme in die Global Clean Tech 100’s Hall of Fame (2017).
Medien- und Servicepaket:
- Onlinefähiges Videomaterial und Fotos
- Über die Erfinder
- Der Blick auf die Patente: EP2001859, EP2004620, EP2103606, EP2183236, EP2197868 EP2197865
Erschließung eines neuen Produktdesigns
PEF erlaubt Herstellern, ihre Produkte zu „Leichtgewichten“ zu machen. Material- sowie Kostenersparnisse können zu noch innovativeren Designs für PEF-Produkte führen. Unternehmen von Procter & Gamble bis hin zu Evian und Canon wurden PEF-Patente erteilt, für Anwendungen von Hygieneartikeln und Verpackungsmaterialien bis hin zu speziellen Wasserflaschen und Filmen.
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