Der Kompressor neu gedacht: Steve Lindsey als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2017 nominiert
- Britischer Chemiker und Erfinder Steve Lindsey für den Europäischen Erfinderpreis 2017 in der Kategorie „Kleine und Mittlere Unternehmen“ (KMU) nominiert
- Lindsey entwickelte einen ölfreien Luftkompressor, dessen Funktionsprinzip auf Rotation beruht
- Lindseys Erfindung bietet Energieeinsparungen von mehr als 20 Prozent
- Benoît Battistelli, Präsident des Europäischen Patentamtes: „Lindseys Erfindung hat ein enormesdas Potenzial, den weltweiten Energieverbrauch zu beeinflussen.“
München, 26. April 2017 - Kompressoren gelangen in fast allen Bereichen von Haushalt und Industrie zum Einsatz. Sie machen 10 Prozent des europaweiten industriellen Stromverbrauchs aus. Allerdings hat die Technologie auch seit mehr als 80 Jahre keine Weiterentwicklung erfahren. Grund genug für Steve Lindsey, einen britischen Chemiker und Erfinder, den Luftkompressor durch ein radikal verändertes Konzept neu zu erfinden: Er meldete einen Luftkompressor zum Patent an, der mit einer einzelnen, im Kreis bewegten Klinge besonders energiesparend arbeitet.
Für diese Leistung wurde Steve Lindsey als einer von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2017 des Europäischen Patentamts (EPA) in der Kategorie „Kleine und Mittlere Unternehmen“ nominiert. Am 15. Juni wird die Auszeichnung im Rahmen eines Festakts in Venedig zum zwölften Mal verliehen.
„Steve Lindseys Erfindung stellt eine Alternative zu konventionellen Kompressoren dar“, , so EPA-Präsident Benoît Battistelli. „Weil Kompressoren in vielen Industriezweigen genutzt werden, hat die Erfindung dasPotenzial, den weltweiten Energieverbrauch zu beeinflussen und die CO2-Bilanz zahlreicher energieintensiver Branchen zu verbessern.“
Ein rotierender Kompressor bedeutet gesteigerte Effizienz
Ein großer Nachteil der häufig genutzten Kolbenkompressoren liegt in ihrer energetischen Ineffizienz: Nur die Hälfte der aufgewendeten Energie – nämlich die, mit welcher der Kolben aufwärts bewegt wird – erzeugt Druckluft. Die andere Hälfte wird beim Einsaugen der Luft verschwendet. „Am Anfang wusste ich wenig über Kompressoren, wie wahrscheinlich viele Menschen“, erzählt Lindsey. „Doch eines Tages erfuhr ich, dass etwa 10 Prozent des Stromes, der in den Industrien Europas verbraucht wird, Kompressoren antreibt. Das ist enorm! Und ich dachte mir: Könnte ich da etwas verändern, müsste sich dies gravierend auf den Energieverbrauch in ganz Europa auswirken.“
Lindsey wollte einen Kompressor entwickeln, der effizienter und billiger in der Herstellung ist als die herkömmlichen Varianten. Dass das Prinzip kreisförmiger Kompressoren vorteilhaft für eine kontinuierliche Verdichtung der Luft ist, war bereits bekannt. Doch bei diesen Kompressoren entströmte zu viel Luft, denn sie waren nicht dicht. Außerdem verloren sie viel Öl. Lindsey musste also eine Geometrie entwerfen, die absolut hermetisch war.
Im Jahr 2003 reichte Lindsey das Patent für einen ölfreien Klingenkompressor mit verbesserter Motorentechnologie ein. Der Zylinder, in dem sich bei einem konventionellen Kompressor der Kolben bewegt, ist in Lindseys Modell kreisförmig. Statt eines Kolbens arbeitet er mit einer einzelnen, kontinuierlich rotierenden Klinge. Hinter ihr wird permanent Luft eingesaugt. Eine rotierende Scheibe teilt den Kreiszylinder in zwei Kammern. Damit die Klinge die Scheibe ohne zu stoppen passieren kann, ist diese mit einem Schlitz versehen. Sobald die Klinge die Ansaugöffnung passiert, versperrt die Scheibe den Zylinder. Die Luft vor der Klinge wird ab diesem Zeitpunkt verdichtet, bis sie durch ein Ventil entweicht und die Klinge erneut durch die Scheibe hindurchfährt. Sofort beginnt der nächste Verdichtungsvorgang. Gleichzeitig startet auch ein neuer Ansaugprozess.
Eine weitere Innovation liegt im Winkel, in dem der Flügel auf dem umlaufenden Ring aufgesetzt ist: Er ist nicht rechtwinklig oder parallel zur Scheibe in der Mitte angeordnet, sondern leicht schräg versetzt. Damit überlappen Induktions- und Kompressionszyklen einander. Eine Effizienzsteigerung: Der neue Kompressor benötigt etwa 20 Prozent weniger Energie als herkömmliche Kolben- oder Schraubenkompressoren.
Ein Leben im Takt der Motoren
Motorentechnologien beeinflussten Lindseys Leben in vielfältiger Weise. Das Interesse für physikalische Zusammenhänge wurde bereits in frühester Kindheit gefördert: Sein Vater arbeitete im National Physical Laboratory und widmete sich in der Freizeit gemeinsam mit seinem Sohn mechanischen und technischen Fragen. Lindsey studierte Chemie an der Universität Bristol, bevor er im technischen Projektmanagement und dann in der Unternehmensberatung für einige große Unternehmen tätig war. Außerdem blickt der bekennende Motorsport-Enthusiast auf eine lange Rennkarriere zurück, unter anderem auch für Audi.
Im Jahr 2004 gründete Lindsey sein Unternehmen Lontra, das sein geistiges Eigentum lizenziert und den Einsatz der Technologie für Klingenkompressoren in verschiedenen Branchen steuert. Der Kompressor stellt Druckluft genau in dem von der Industrie benötigten Druckbereich zur Verfügung. Mitte 2016 eröffnete Lindsey ein hochmodernes Technologiezentrum, um die Entwicklung seines ölfrei funktionierenden Kompressors weiter voranzutreiben.
Lindsey ist ein leidenschaftlicher Unterstützer des Unternehmertums kleiner und mittlerer Firmen. Im Jahr 2015 gewann er den britischen Manufacturing Entrepreneur of the Year Award. Sein Klingenkompressor wurde als „innovativste neue Technologie des Jahres“ bei den Water Industry Achievement Awards (2013) ausgezeichnet und als „Top Energie Produkt/Service“ bei den Environment and Energy Awards (2015) gekürt.
Ein Ende ist für ihn längst nicht in Sicht: „Ich denke das Entscheidende bei Kompressoren ist, dass sie überall im modernen Leben arbeiten. Kompressoren öffnen Türen in Zügen oder Bussen, sie treiben Werkzeuge in Fabriken an und sie stecken in Klimaanlagen und Kühlschränken. Unser Kompressor kann im Prinzip alle ersetzen.“
Enorme Einsparungen beim Energieverbrauch
Mit seinem energiesparenden Ansatz haucht Steve Lindsey dem riesigen, technologisch jedoch stagnierenden Markt der Kompressoren frisches Leben ein. Sein Unternehmen Lontra beschäftigt rund 20 Personen. Der erste Lizenznehmer des Lontra-Designs war im Jahr 2014 der Schweizer Pumpenhersteller Sulzer. In einem Vertrag mit einem geschätzten Wert von 717 Mio. Euro wurde die Nutzung des Kompressors in der kommunalen und staatlich regulierten Abwasserbehandlungsbranche vereinbart. Weitere mögliche Märkte für diese Technologie sind in der Pharma- und Prozessindustrie zu finden. Der Kompressor ist in Vakuumpumpen, Gasverdichtern, Klimaanlagen und sogar Turboladern für Automobile einsetzbar. Mit der Technologie lassen sich Motorverkleinerungen und Verbesserungen der Kraftstoffeffizienz erreichen.
Der Weltmarkt für Luftkompressoren wird auf jährlich circa 23,5 Milliarden Euro geschätzt. Laut Lontra lassen sich allein in Europa mit dem Flügelkompressor 2 Terrawattstunden Strom pro Jahr einsparen. Das entspricht dem Energiebedarf von etwa 200.000 Privathaushalten. Gleichzeitig könnte der CO2-Austoß um 860.000 Tonnen reduziert werden (das entspricht in etwa den jährlichen CO2-Austoß von 180.000 Pkw): „Ein enormer Wandel im Energieverbrauch, hervorgerufen durch eine verhältnismäßig einfache Veränderung“, so Lindsey.
Medien- und Servicepaket:
- Videomaterial und Fotos
- Über den Erfinder
- Der Blick auf das Patent: EP0933500
Der nächste James Dyson?
Mit seinem innovativen, energiesparenden Ansatz zum Luftkompressor-Design bringt Steve Lindsey neues Leben in die britische Fertigung. Wie seinerzeit James Dyson (Finalist des Europäischen Erfinderpreises in der Kategorie „Lebenswerk“, 2006), der das Vakuum neu definierte, indem er es mit Hilfe zyklonischer Trennung zu High-Tech machte, reaktiviert Lindsey mit seinem Impuls den riesigen, stagnierenden Sektor der Kompressoren.
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