Informationen
Diese Entscheidung ist nur auf Englisch verfügbar.
T 2081/21 (Aktualisierung einer Ist-Konfiguration 2/TOLL COLLECT) 22-04-2024
Download und weitere Informationen:
VERFAHREN ZUR AKTUALISIERUNG DER KONFIGURATION EINER FAHRZEUGEINRICHTUNG, FAHRZEUGEINRICHTUNG, ZENTRALE DATENVERARBEITUNGSEINRICHTUNG UND MAUTSYSTEM
Klarheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Zulassung - Hilfsanträge 1 und 2 (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 16 001 048.4 zurückzuweisen, weil die Ansprüche gemäß dem Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllten.
In der angefochtenen Entscheidung wurde auf die folgenden Dokumente verwiesen:
D1: DE 102009041173 A1,
D2: US 2006/156129 A1,
in den Gründen wurde jedoch nicht auf diese Dokumente Bezug genommen.
II. In der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, oder eines der Hilfsanträge 1 und 2, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden waren, zu erteilen.
III. Die Beschwerdekammer lud zur mündlichen Verhandlung und teilte in ihrer Mitteilung vom 12. März 2024 ihre vorläufige Meinung über die Beschwerde mit. Sie verwies dabei unter anderem auf ihre vorläufige Meinung im parallelen Fall T 2113/21 der Beschwerdeführerin, der am gleichen Tag zu verhandeln war. Die Kammer neigte dazu, die Einwände unter Artikel 84 EPÜ der Prüfungsabteilung nicht zu teilen. Sie erhob jedoch einen Einwand unter Artikel 52(1) und 56 EPÜ gegen den Hauptantrag im Hinblick auf D1 und D2, ähnlich dem, der im parallelen Fall erhoben wurde (wobei dort die Bezeichnungen D1 und D2 vertauscht waren). Sie neigte auch dazu, die Hilfsanträge 1 und 2 nicht zuzulassen, Artikel 12(6) VOBK.
IV. In der mündlichen Verhandlung bestätigte die Beschwerdeführerin die in der Beschwerdebegründung formulierten Anträge. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Verfahren zur Aktualisierung von wenigstens einem Wert eines Konfigurationsparameters in einer Fahrzeugeinrichtung (30) mittels einer zentralen Datenverarbeitungseinrichtung (50), die abseits der Fahrzeugeinrichtung (30) angeordnet ist, wobei
eine in der Fahrzeugeinrichtung (30) gespeicherte aktualisierungsbedürftige Ist-Konfiguration von dezentralen Werten mehrerer Konfigurationsparameter der Fahrzeugeinrichtung (30) in eine in der Fahrzeug-einrichtung (30) gespeicherte vollständig aktualisierte Ist-Konfiguration von Werten mehrerer Konfigurations-parameter der Fahrzeugeinrichtung (30) überführt wird, die einer in der zentralen Datenverarbeitungs-einrichtung (50) zugeordnet zu einer Kennung der Fahrzeugeinrichtung (30) gespeicherten Soll-Konfiguration von mehreren zentralen Werten dieser Konfigurationsparameter entspricht,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Rahmen wenigstens einer zwischen der Fahrzeug-einrichtung (30) und der zentralen Datenverarbeitungs-einrichtung (50) bestehenden Kommunikationsverbindung
a) die Fahrzeugeinrichtung (30) einen initialen
dezentralen Hashwert (81) der aktualisierungs-
bedürftigen Ist-Konfiguration an die zentrale
Datenverarbeitungseinrichtung (50) sendet,
b) die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung (50)
nach dem Empfang des initialen dezentralen
Hashwerts (81)
i) den empfangenen initialen dezentralen Hashwert
(81) mit einem zentralen Hashwert der Soll-
Konfiguration vergleicht und im Falle eines
Unterschieds zwischen dem initialen dezentralen
Hashwert (81) und dem zentralen Hashwert
ii) wenigstens einen ersten zentralen Wert
wenigstens eines ersten Konfigurationsparameters,
der von einem ersten dezentralen Wert des ersten
Konfigurationsparameters verschieden ist, in
einer ersten Aktualisierungsaufforderungs-
nachricht (92) an die Fahrzeugeinrichtung (30)
sendet,
c) die Fahrzeugeinrichtung (30) nach dem Empfang der
ersten Aktualisierungsaufforderungsnachricht (92)
einen finalen dezentralen Hashwert (87) einer
aktualisierten Ist-Konfiguration von Werten der
mehreren Konfigurationsparameter, die den
wenigstens einen ersten zentralen Wert des
wenigstens einen ersten Konfigurationsparameters
umfasst, an die zentrale Datenverarbeitungs-
einrichtung (50) sendet,
d) die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung (50)
infolge des Empfangs des finalen dezentralen
Hashwerts (87)
i) den empfangenen finalen dezentralen Hashwert
(87) mit einem zentralen Hashwert der Soll-
Konfiguration vergleicht und im Falle einer
Übereinstimmung des finalen dezentralen Hashwerts
(87) mit dem zentralen Hashwert
ii) eine Aktualisierungsbeendigungsnachricht (98)
an die Fahrzeugeinrichtung (30) sendet und/ oder
eine mit der Fahrzeugeinrichtung (30) bestehende
Kommunikationsverbindung abbricht, und
e) die Fahrzeugeinrichtung (30), falls sie die
Aktualisierungsbeendigungsnachricht (98)
empfängt, eine mit der zentralen
Datenverarbeitungseinrichtung (50) bestehende
Kommunikationsverbindung abbricht, sofern diese
nicht seitens der zentralen
Datenverarbeitungseinrichtung (50) abgebrochen
wird."
VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Ergänzung der folgenden Merkmale am Ende des Anspruchs:
"wobei im Schritt b) ii) die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung (50) die zentralen Werte aller Konfigurationsparameter der Soll-Konfiguration einschließlich des ersten zentralen Wertes des ersten Konfigurationsparameters in der ersten Aktualisierungsaufforderungsnachricht an die Fahrzeugeinrichtung (30) sendet".
VII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die Ergänzung der folgenden Merkmale am Ende des Anspruchs:
"und die Fahrzeugeinrichtung (30) in Schritt a) den initialen dezentralen Hashwert (81) zusammen mit der Kennung der Fahrzeugeinrichtung (30) an die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung (50) sendet".
Die Anmeldung
1. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Aktualisierung von wenigsten einem Wert eines Konfigurationsparameters in einer Fahrzeugeinrichtung mittels einer zentralen Datenverarbeitungseinrichtung (im Folgenden: "Zentrale").
2. Im offenbarten Anwendungsbeispiel (Figur 2; Seite 13, Zeilen 13ff der ursprünglichen Beschreibung) ist die Zentrale 50 Teil eines Mautsystems. Die Fahrzeugeinrichtung 30 trägt zur Mauterhebung bei, indem sie Informationen über die befahrene Strecke und gegebenenfalls eine berechnete Mautgebühr an eine Kontrolleinrichtung 60 des Mautsystems überträgt.
Relevante "Konfigurationsparameter" sind in diesem Fall Kennzeichen, Gewichtsklasse, Achsklasse und Schadstoffklasse des Fahrzeugs, sowie die Versionsnummer einer Software der Fahrzeugeinrichtung, der Status eines Mautdienstes für Deutschland oder Österreich (aktiv oder nicht-aktiv) und einen Mauterhebungsmodus (dezentral oder zentral) (Seite 12, Zeilen 3-21).
3. Die in der Fahrzeugeinrichtung gespeicherten Konfigurationswerte ("dezentrale Werte") entsprechen der Ist-Konfiguration. In der Zentrale sind Konfigurationswerte ("zentrale Werte") zugeordnet zu einer "Kennung der Fahrzeugeinrichtung" gespeichert, die einer Soll-Konfiguration entsprechen. Es gilt, die in der Fahrzeugeinrichtung gespeicherten Werte so zu aktualisieren, dass sie der Soll-Konfiguration entsprechen (Seite 12, Zeilen 29-34).
Bei der "Kennung der Fahrzeugeinrichtung" kann es sich um die Mobilfunknummer des Mobilfunk-Sendeempfängers der Fahrzeugeinrichtung oder die Seriennummer der Fahrzeugeinrichtung handeln (Seite 18, Zeilen 5-10).
4. Im vorgeschlagenen Verfahren ist folgendes vorgesehen.
Im Rahmen einer zwischen der Fahrzeugeinrichtung und der zentralen Datenverarbeitungseinrichtung bestehenden Kommunikationsverbindung sendet die Fahrzeugeinrichtung
einen "initialen dezentralen Hashwert (81) der aktualisierungsbedürftigen Ist-Konfiguration" an die Zentrale (ursprünglicher Anspruch 1, Schritt a)).
Die Zentrale vergleicht nach Empfang den initialen dezentralen Hashwert mit einem "zentralen Hashwert der Soll-Konfiguration" (Schritt b)i)).
Im Fall eines festgestellten Unterschieds, sendet die Zentrale eine "erste Aktualisierungsaufforderungsnachricht (92)" mit wenigstens einem zentralen Wert, der von einem dezentralen Wert verschieden ist, an die Fahrzeugeinrichtung (Schritt b)ii)).
Die Fahrzeugeinrichtung sendet einen "finalen dezentralen Hashwert (87) einer aktualisierten Ist-Konfiguration" an die Zentrale (Schritt c)).
Nach Empfang des finalen dezentralen Hashwerts vergleicht die Zentrale ihn mit einem zentralen Hashwert der Soll-Konfiguration (Schritt d)i)).
Im Falle einer Übereinstimmung, unterbricht die Zentrale die Kommunikationsverbindung oder sendet eine "Aktualisierungsbeendigungsnachricht" an die Fahrzeugeinrichtung (Schritt d)ii)), woraufhin sie die Kommunikationsverbindung abbricht (Schritt e)).
5. Im Schritt b)ii) kann die Zentrale die zentralen Werte aller Konfigurationsparameter der Soll-Konfiguration senden (ursprünglicher Anspruch 2).
6. Laut Beschreibung sei es mit dem vorgeschlagenen Verfahren, insbesondere mit dem Vergleich des initialen dezentralen Hashwerts mit dem zentralen Hashwert, möglich, "sehr datensparsam zu prüfen, ob eine Aktualisierung überhaupt nötig ist". Dadurch werde "eine datenverschwenderische 'blinde' Aktualisierung ohne ein vorheriges Abprüfen auf einen Aktualisierungs-bedarf [...] vorteilhaft vermieden" (Seite 2, Zeilen 19-23).
Hauptantrag - Artikel 84 EPÜ
7. Der Hauptantrag beruht auf den ursprünglichen Ansprüche 1 bis 15.
8. Kennung der Fahrzeugeinrichtung
8.1 Die Prüfungsabteilung befand, dass ein wesentliches Merkmal der Erfindung in Anspruch 1 fehle, weil nicht angegeben werde, wie die Zentrale zur Kenntnis der "Kennung der Fahrzeugeinrichtung" gelange. Ohne Kenntnis dieser Kennung könne die Zentrale nicht die gespeicherte Soll-Konfiguration, die der Fahrzeugeinrichtung entspricht, ermitteln.
Zudem werde in der Beschreibung durchgängig offenbart, dass sowohl die "initiale Statusnachricht" als auch die "finale Statusnachricht" immer zusammen mit der Kennung der Fahrzeugeinrichtung an die Zentrale übermittelt werden. In der Beschreibung werden genau zwei Arten von "Kennung" offenbart: "Seriennummer" oder "Mobilfunknummer eines Mobilfunk-Sendeempfängers 13 der Fahrzeugeinrichtung 30".
Daher erfülle Anspruch 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ. Dieser Einwand gelte mutatis mutatis für die Ansprüche 11, 13 und 15 (Entscheidung, Punkte 9.1, 9.2, 10.2, 10.3, 11.1 bis 11.4).
8.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte in der Beschwerdebegründung (Seiten 7-9), der Fachperson seien viele Möglichkeiten bekannt, Nachrichten, die die Fahrzeugeinrichtungen an die Zentrale senden, den jeweiligen Fahrzeugeinrichtungen, d.h. ihren Kennungen, zuzuordnen.
Der Anspruch spezifiziere, dass eine Kommunikationsverbindung zwischen der Fahrzeugeinrichtung und der Zentrale bestehe und, dass die Fahrzeugeinrichtung über diese Verbindung eine initiale Statusnachricht an die Zentrale sende. Diese Nachricht bzw. Kommunikationsverbindung erlaube es der Zentrale, die Kennung der sendenden Fahrzeugeinrichtung zu ermitteln. Die Kennung könne z.B. ausdrücklich in der Nachricht enthalten oder indirekt aus dieser abgeleitet werden, darauf komme es nicht an.
Die in der Beschreibung offenbarten Möglichkeiten der Übermittlung einer Kennung seien beispielhafte Varianten, deren Merkmale nicht erfindungswesentlich sind.
8.3 Die Kammer folgt den Argumenten der Beschwerdeführerin und sieht den Einwand unter Artikel 84 EPÜ der Prüfungsabteilung daher als nicht gerechtfertigt an.
9. Senden wenigstens eines ersten zentralen Werts
9.1 Die Prüfungsabteilung befand, dass in Anspruch 1 nicht klar sei, Artikel 84 EPÜ, wie "mehrere Konfigurationsparameter" aktualisiert werden könnten (Anspruch 1, Zeilen 6-9), wenn nur ein erster zentraler Wert eines ersten Konfigurationsparameters, der von einem ersten dezentralen Wert des ersten Konfigurationsparameters verschieden ist, gesendet wird (Anspruch 1, Schritt b)ii)). Des Weiteren sei in Schritt b)ii) nicht klar, wie ein solcher erster zentraler Wert, der von einem dezentralen Wert verschieden ist, identifiziert werden kann, wenn zuvor nur ein Vergleich von Hashwerten erfolgt. Dieser Einwand gelte mutatis mutatis für die Ansprüche 11, 13 und 15 (Entscheidung, Punkte 9.3, 9.4, 10.3, 10.4, 11.5 bis 11.7).
9.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte in der Beschwerdebegründung (Seiten 9-10), wesentlich sei nur, dass auf der Basis eines Hashwertvergleichs die Aktualisierung zumindest eines Konfigurationsparameters erfolgt. Ob auch weitere Konfigurationsparameter auf Basis des Hashwertvergleichs aktualisiert werden oder nicht, sei durch den Anspruch offengelassen.
Anspruch 1 fordere auch nicht, dass auf der Basis des Hashwertvergleichs ermittelt wird, welcher Konfigurationsparameter aktualisierungsbedürftig sei.
9.3 Die Kammer folgt auch hier den Argumenten der Beschwerdeführerin. Zudem merkt die Kammer das Folgende an.
9.3.1 Durch die Merkmale in Zeilen 6-9 von Anspruch 1 wird lediglich gefordert, dass die Ist-Konfiguration dezentrale Werte von mehreren Konfigurationsparametern umfasst, und nicht, dass mehrere dezentrale Werte von den zentralen Werte der Soll-Konfiguration verschieden sind und daher aktualisiert werden müssen. Das Senden eines einzigen zentralen Wertes in Schritt b)ii) kann somit je nach Fallgestaltung für eine vollständige Aktualisierung ausreichend sein.
9.3.2 Anspruch 1 fordert nicht, dass dieser erste zentrale Wert, der von einem ersten dezentralen Wert verschieden ist, "identifiziert" wird. In der Ausführungsform von Anspruch 2, die von Anspruch 1 umfasst wird, werden in Schritt b)ii) einfach alle zentrale Werte übermittelt. Weil dies erst bei Feststellung eines Unterschieds zwischen den Hashwerten geschieht (Schritt b)i)), muss es einen zentralen Wert geben, der sich von einem dezentralen Wert unterscheidet, ohne dass dieser zentrale Wert identifiziert wurde.
Anspruch 1 umfasst auch die Möglichkeit, dass den Schritten b)i) und b)ii) weitere Schritte folgen, mittels der eine Identifizierung eines solchen zentralen Wert ermöglicht wird, wie dies etwa in der Ausführungsform des Anspruchs 3 der Fall ist.
9.3.3 Die Kammer sieht Anspruch 1 an dieser Stelle als breit an (weil er alle diese Ausführungsformen umfasst) aber nicht als unklar.
9.3.4 Die Kammer sieht daher die Einwände unter Artikel 84 EPÜ der Prüfungsabteilung als nicht gerechtfertigt an.
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
10. In der angefochtenen Entscheidung ist die Zurückweisung der Anmeldung nur auf der Grundlage von Einwänden unter Artikel 84 EPÜ begründet worden. Allerdings wurde zuvor im Prüfungsverfahren auch der Einwand erhoben, Anspruch 1 fehle es an erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf D1 und D2 (Mitteilung gemäß Artikel 94 (3) EPÜ vom 31. Januar 2019, Punkt 3).
11. Die Kammer wies in ihrer vorläufigen Meinung darauf hin, dass sie erhebliche Zweifel an der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber D1 und D2 hatte, und wies dabei auch auf die vorläufige Meinung der Kammer zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1 und D2 im parallelen Fall T 2113/21 der Beschwerdeführerin hin, für den die mündliche Verhandlung am gleichen Tag wie für den vorliegenden Fall angesetzt war (mit der Bemerkung, dass die Bezeichnungen D1 und D2 im parallelen Fall vertauscht waren).
12. Die Beschwerdeführerin äußerte in der mündlichen Verhandlung keine Bedenken dagegen, dass auch im vorliegenden Fall die erfinderische Tätigkeit gegenüber D1 und D2 im Rahmen des Beschwerdeverfahren behandelt wird. Sie nahm auch Bezug auf die von ihr im Parallelfall vorgetragenen Argumente.
13. Dokument D2
13.1 D2 beschäftigt sich allgemein mit der Aufgabe, mittels einer Zentrale ("central service") sicher zu stellen, dass Daten, insbesondere Softwareanwendungen ("software applications"), die auf einer Vielzahl von Datenverarbeitungseinrichtungen ("processing devices") gespeichert sind, auf dem aktuellsten Stand sind, insbesondere in einer Situation in der die Datenverarbeitungseinrichtungen mobil sind und die Verbindung zu ihnen eine drahtlose ist (Absätze [0001], [0002], [0004] und [0005]).
13.2 Bei den Datenverarbeitungseinrichtungen kann es sich z.B. um Mobiltelefone, Laptops oder eingebettete Datenverarbeitungseinrichtungen handeln ("other household or industrial applicances wherein the use of [...] embedded computer devices are deployed"; Absätze [0019], [0020] und [0030]).
13.3 Eine Datenverarbeitungseinrichtung erzeugt eine Signatur ("signature of its current configuration") der aktuellen Konfiguration der Daten und Software, die auf ihr gespeichert sind, und übermittelt die Signatur an die Zentrale (Absatz [0019]).
Die Signatur ist ein Hashwert ("hash value"), der aus Konfigurationsdateien, die die aktuelle Konfiguration an Software und Hardware angeben, generiert wird (Absätze [0021]-[0025] und [0031]-[0032]; Fig. 2 "signature file 215").
13.4 In der Zentrale werden, zugeordnet zu einer Kennung der Datenverarbeitungseinrichtung ("identifier of the processing device"), eine registrierte Konfiguration ("registered configuration of the processing device") und eine Zielkonfiguration ("target configuration for the processing device") sowie entsprechende Signaturen gespeichert (Absätze [0027]-[0028], [0033] und [0034]; Fig. 3: Kennung "02", Signatur der registrierten Konfiguration 306, Signatur der Zielkonfiguration 307).
Es können dabei auch Vorbedindungen ("preconditions") gespeichert sein, die z.B. angeben, dass eine bestimmte Version einer Softwareanwendung bereits installiert sein muss, bevor eine andere installiert werden kann (Absatz [0028]; Fig. 3: Vorbedingung 375).
14. Nach Empfang der gesendeten Signatur vergleicht die Zentrale, ob sie der registrierten Signatur entspricht (Absätze [0029] und [0037]; Fig. 5: Schritt 505).
Wenn dieser Vergleich positiv ausgeht, wird festgestellt ("lookup"), ob es eine neue Zielkonfiguration für diese Datenverarbeitungs-einrichtung gibt (Absätze [0029], [0037] und [0038]; Fig. 5: Schritt 510). Ist dies der Fall, so wird, nach Prüfung etwaiger Vorbedingungen, eine Anweisung ("instruction") an die Datenverarbeitungseinrichtung gesendet, zur Zielkonfiguration überzugehen. Dabei kann die Zielkonfiguration gesendet werden (Absatz [0038]; Fig. 5: Schritte 520-535).
Wenn der Vergleich negativ ausgeht, prüft die Zentrale, ob die empfangene Signatur einer bekannten Signatur entspricht. Ist dies der Fall, wird weiter verfahren wie oben für den positiven Vergleich beschrieben. Ist dies nicht der Fall, wird eine Diagnose initiiert, da in diesem Fall die Operation der Datenverarbeitungs-einrichtung möglicherweise fehlerbehaftet ist (Absätze [0039] und [0040]; Fig. 5: Schritte 540-560).
15. Vergleich mit Anspruch 1
15.1 Wie von der Beschwerdeführerin angemerkt, offenbart D2 keine Anwendung auf eine "Fahrzeugeinrichtung".
Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass die allgemeine Aufgabenstellung, Konfigurationsparameter von Fahrzeugeinrichtungen zu aktualisieren, insbesondere im Kontext eines Mautsystems, wohlbekannt war, wie es z.B. in der vorliegenden Anmeldung auf Seite 1, Zeilen 7-14, oder in D1, Absätze [0001]-[0004], beschrieben ist.
Für einen Fachmann, der von dieser allgemeinen Aufgabenstellung ausgegangen wäre, wäre es zudem naheliegend gewesen, in D2 einen geeigneten Ansatz zur Entwicklung einer Lösung zu identifizieren, da D2 eine allgemeingültige Lehre enthält, die nicht auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet beschränkt ist, und im Übrigen die Besonderheit berücksichtigt, dass die Datenverarbeitungseinrichtungen mobil sein könnten, wie dies bei Fahrzeugeinrichtungen der Fall ist (siehe Punkte 13.1 und 13.2 oben).
15.2 Abgesehen davon unterscheidet sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 vom Verfahren aus D2 in den folgenden Merkmalen:
(i) die Zentrale vergleicht den empfangenen initialen dezentralen Hashwert mit einem zentralen Hashwert der Soll-Konfiguration gemäß Schritt b)i) (in D2 wird die empfangene Signatur, die dem "initialen dezentralen Hashwert" aus Anspruch 1 entspricht, mit der Signatur (und somit dem Hashwert) der registrierten Konfiguration verglichen, Absätze [0029] und [0037]; Fig. 5: Schritt 505);
(ii) das Senden eines finalen dezentralen Hashwert einer aktualisierten Ist-Konfiguration gemäß Schritt c) (D2 sagt nichts dazu, wie nach den Schritten aus Fig. 5 verfahren wird);
(iii) das Abbrechen der Kommunikationsverbindung gemäß Schritte d) und e) (D2 sagt nichts dazu, wie nach den Schritten aus Fig. 5 verfahren wird).
15.3 Eine "Aktualisierungsaufforderungsnachricht" gemäß Schritt b)ii) ist hingegen in D2 offenbart: die in Absatz [0038] erwähnte Anweisung ("instruction") der Zentrale an die Datenverarbeitungseinrichtung enthält, in einer offenbarten Alternative, die Zielkonfiguration ("target configuration") selbst, und somit implizit die "zentralen Werte der Konfigurationsparameter", einschließlich derjenigen, die sich von den dezentralen Werten unterscheiden (es muss solche zentrale Werte geben, denn sonst wäre eine solche Anweisung nicht gesendet worden).
15.4 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerde-führerin auf keine weiteren Unterscheidungsmerkmale hingewiesen.
15.5 Die Kammer ist der Auffassung, dass der Unterschied (i) unabhängig von den Unterschieden (ii) und (iii) ist, und dass deren Kombination im Anspruch nicht zu einer synergetischen technischen Wirkung beiträgt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum der Unterschied (i) zu einer "zuverlässige[ren] Aktualisierung" beitragen würde, was die behauptete technische Wirkung der Unterschiede (ii) und (iii) ist.
Eine getrennte Behandlung von Unterschied (i) einerseits und von den Unterschieden (ii) und (iii) andererseits ist daher angebracht.
15.6 Unterschied (i)
15.6.1 Im Verfahren von D2 sendet die Datenverarbeitungs-einrichtung nur eine Signatur (Hashwert) der Ist-Konfiguration an die Zentrale (Absatz [0025]).
Wird im Verfahren von D2 keine Übereinstimmung zwischen der gesendeten Signatur und der registrierten Signatur festgestellt, so soll eine Diagnose initiiert werden (Absatz [0040]). Dieser Schritt wird nicht weiter ausgeführt.
Die Kammer ist der Auffassung, dass es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, in diesem Fall als erste Maßnahme einen Vergleich der empfangenen Signatur mit einer Signatur (Hashwert) der Zielkonfiguration ("target configuration") vorzunehmen, weil der Fehler lediglich darin liegen könnte, dass die Datenverarbeitungseinrichtung bereits aktualisiert wurde, dies in der registrierten Konfiguration aber nicht widergespiegelt wurde. Fällt dieser Vergleich negativ aus, würde die Zentrale die Datenverarbeitungseinrichtung zur Übertragung der Ist-Konfiguration an sich auffordern, um eine vollständige Diagnose vorzunehmen und - nach Vergleich mit der für diese Datenverarbeitungseinrichtung gespeicherten Zielkonfiguration - die Datenverarbeitungseinrichtung zur Installation der Zielkonfiguration auffordern.
Der erste Vergleich der Signaturen/Hashwerte würde einem Vergleich gemäß Schritt b)i) entsprechen. Die bei einem negativen Ausgang dieses Vergleichs stattfindende Aufforderung zur Installation der Zielkonfiguration würde einer "Aktualisierungsaufforderungsnachricht" gemäß Schritt b)ii) entsprechen. Der Unterschied (i) ist daher naheliegend.
15.6.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass es eine naheliegende Ausgestaltung der in D2 vorgesehene Diagnose wäre, eine Neuregistrierung der Datenverarbeitungseinrichtung zu veranlassen. Die Kammer merkt jedoch an, dass die im vorherigen Punkt beschriebene Lösung nicht allein deswegen als weniger naheliegend angesehen werden muss, weil es möglicherweise eine weitere naheliegende Lösung gibt (die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene).
15.7 Unterschiede (ii) und (iii)
D2 gibt nicht an, was geschieht, nachdem die Zentrale die Anweisung an die Datenverarbeitungseinrichtung sendet, zur Zielkonfiguration überzugehen (Absatz [0038]; Fig. 5, Schritt 535).
Die Kammer teilt die Meinung der Prüfungsabteilung, dass es naheliegend wäre vorzusehen, dass die Datenverarbeitungseinrichtung nach erfolgter Aktualisierung ihrer Konfigurationsparameter die aktualisierte Konfiguration - oder zumindest einen Hashwert (Signatur) davon, wenn die Übertragung dieser Konfiguration zuviel Bandbreite erfordern würde - in einer finalen Statusnachricht an die Zentrale sendet, damit diese erst dann bei erfolgreichem Vergleich mit der Soll-Konfiguration (target configuration) bzw. einen Hashwert (Signatur) davon, die bei ihr für diese Datenverarbeitungseinrichtung registrierte Konfiguration (bzw. die Signatur davon) aktualisiert, wenn die Aktualisierung tatsächlich erfolgt ist. Der Unterschied (ii) ist daher naheliegend.
Die Kommunikationsverbindung zwischen Datenverarbeitungseinrichtung und Zentrale wird nach einer erfolgreichen Aktualisierung nicht mehr benötigt, so dass es naheliegend wäre, vorzusehen, dass sie dann entweder von der Zentral oder, auf Aufforderung der Zentrale, von der Datenverarbeitungseinrichtung abgebrochen wird. Der Unterschied (iii) ist daher auch naheliegend.
Schlussfolgerung
16. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.
Hilfsanträge 1 und 2
17. Nach Artikel 12 (6) VOBK, zweiter Satz, lässt die Kammer Anträge nicht zu, die im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen wären, es sei denn, die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung.
18. Die Hilfsanträge 1 und 2 sind erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden.
19. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Ergänzung des zusätzlichen Merkmals des ursprünglichen abhängigen Anspruchs 2:
"wobei im Schritt b) ii) die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung (50) die zentralen Werte aller Konfigurationsparameter der Soll-Konfiguration einschließlich des ersten zentralen Wertes des ersten Konfigurationsparameters in der ersten Aktualisierungsaufforderungsnachricht an die Fahrzeugeinrichtung (30) sendet".
Diese Änderung sollte den zweiten Einwand unter Artikel 84 EPÜ der Prüfungsabteilung ausräumen (Beschwerdebegründung, Seite 11).
20. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die Ergänzung des zusätzlichen Merkmals
"und die Fahrzeugeinrichtung (30) im Schritt a) den initialen dezentralen Hashwert (81) zusammen mit der Kennung der Fahrzeugeinrichtung (30) an die zentrale Datenverarbeitungseinrichtung (50) sendet",
gestützt auf Seite 3, Zeilen 35-38, der ursprünglichen Beschreibung. Diese Änderung sollte den ersten Einwand unter Artikel 84 EPÜ der Prüfungsabteilung ausräumen (Beschwerdebegründung, Seite 11).
21. Die Kammer merkt an, dass die Prüfungsabteilung beide Einwände unter Artikel 84 EPÜ bereits in ihrer ersten Mitteilung gemäß Artikel 94 (3) EPÜ vom 31. Januar 2019 erhoben hatte (Punkt 2). Die Aufnahme der zusätzlichen Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 2 hatte sie explizit angeregt (Punkt 2.4).
In ihrem Antwortschreiben vom 11. Juni 2019 ist die Beschwerdeführerin diesen Einwänden nur mit Argumenten begegnet, hat ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt.
Daraufhin wurde die Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung durch die Prüfungsabteilung erlassen.
22. Die Kammer hat in ihrer vorläufigen Meinung die Auffassung vertreten, dass die Hilfsanträge 1 und 2 im Verfahren vor der Prüfungsabteilung, in Antwort auf ihre Mitteilung vom 31. Januar 2019, vorzubringen gewesen wären.
23. Die Kammer merkte auch an, dass die Änderungen nicht geeignet schienen, um den Einwand der erfinderischen Tätigkeit auszuräumen:
Eine vollständige Übermittlung der Zielkonfiguration ("target configuration"), d.h. der Soll-Konfiguration, schiene die nächstliegendste Option zu sein.
In D2 müsse die Zentrale ermitteln, mit welchem "processing device" sie kommuniziert. Dass dieser seinen "identifier" in der ersten Nachricht mitteile, sei eine naheliegende Maßnahme.
24. Die Beschwerdeführerin hat zu dieser vorläufigen Meinung der Kammer keine Stellung genommen.
25. Die Kammer ließ daher die Hilfsanträge 1 und 2 nicht zu, Artikel 12 (6) VOBK, zweiter Satz.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.