3. Das EPA als Bestimmungsamt oder als ausgewähltes Amt
3.1. Zuständigkeit des EPA als Bestimmungsamt oder als ausgewähltes Amt
In J 26/87 (ABl. 1989, 329) stellte die Juristische Beschwerdekammer fest: Hat der Anmelder bei richtiger Auslegung des Erteilungsantrags zu einer internationalen Anmeldung einen Vertragsstaat des EPÜ benannt, für den der PCT am Anmeldedatum der internationalen Anmeldung in Kraft getreten ist, so ist das EPA aufgrund von Art. 153 EPÜ 1973 auch dann verpflichtet, für diesen Vertragsstaat als Bestimmungsamt tätig zu werden, wenn die internationale Anmeldung ohne die Bestimmung dieses Staates vom Internationalen Büro veröffentlicht worden ist.
J 19/93 betraf ebenfalls die Bestimmung von EPÜ-Vertragsstaaten in einer internationalen Anmeldung mit dem Ziel, ein europäisches Patent zu erlangen. Die Juristische Beschwerdekammer betonte, dass das EPA als ausgewähltes Amt oder Bestimmungsamt in vollem Umfang zur Auslegung von Anmeldungen befugt ist, für die es in dieser Eigenschaft tätig werden soll. Die Auslegung durch das Anmeldeamt oder das Internationale Büro ist für das EPA nicht bindend (s. auch J 4/94, J 26/87).
In J 7/93 hatte das Internationale Büro das EPA nicht innerhalb der in R. 104b (1) EPÜ 1973 (vor dem 1. März 2000 gültige Fassung) vorgesehenen, damals geltenden Frist von 21 Monaten davon unterrichtet, dass es (im Antrag auf internationale vorläufige Prüfung) ausgewählt worden war. Das EPA verschickte eine Mitteilung nach der damals geltenden R. 85a EPÜ 1973 zur Nachfrist für die verspätete Zahlung von Gebühren beim Eintritt in die europäische Phase und anschließend die Mitteilung eines Rechtsverlusts nach R. 69 (1) EPÜ 1973. Die Juristische Beschwerdekammer erklärte, dass beide auf die 21-Monatsfrist nach R. 104b (1) EPÜ 1973 verwiesen, obwohl in dem vorliegenden Fall die 31-Monatsfrist anzuwenden wäre. Die beiden Mitteilungen existierten rechtlich gesehen nicht, weil sie sich auf keine Bestimmung des EPÜ oder des PCT stützen könnten. Demzufolge könnten diese – rechtlich nicht existenten – Mitteilungen auch keine nachteilige rechtliche Wirkung für eine Partei haben.
In J 3/94 hatte der Anmelder im PCT-Antrag unter der Rubrik "Regionales Patent" das EPA und unter der Rubrik "Nationales Patent" fünf PCT-Vertragsstaaten, darunter auch Deutschland und das Vereinigte Königreich, bestimmt. Im Antrag auf internationale vorläufige Prüfung, den er beim EPA als IPEA einreichte, waren jedoch nur die fünf PCT-Vertragsstaaten ausgewählt; unter der Rubrik "Regionales Patent" war nicht angekreuzt, dass das EPA ebenfalls ausgewählt worden war. Der Anmelder brachte unter anderem vor, die Auswahl von GB und DE bewirke, dass das EPA von Rechts wegen ausgewähltes Amt sei. Jedoch stellte die Juristische Beschwerdekammer fest, dass das EPA in diesem Fall nicht zum ausgewählten Amt werde. Eines der in Art. 31 (4) a) PCT verankerten Prinzipien sei, dass der Anmelder die Wahl habe, für welches Amt er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung nutzen wolle. Überdies richte es sich nicht nur nach dem EPÜ, ob die Entscheidung für den nationalen Weg auch die Auswahl des EPA bedeute. Über die Gültigkeit einer Auswahlerklärung müsse in der internationalen Phase entschieden werden, damit die Auswahlerklärung wirksam werde. Die IPEA müsse den Antrag prüfen, und die internationalen Behörden müssten ihren Verpflichtungen nachkommen, die sich aus einer wirksamen Auswahl ergäben. Gültigkeit und Umfang der Auswahl müssten nicht nur für den Anmelder und das ausgewählte Amt klar ersichtlich sein, sondern auch für die Behörden in der internationalen Phase. Die Gültigkeit müsse von den betreffenden Behörden anhand einheitlicher Kriterien geprüft werden.
In J 4/94 hatte die Juristische Beschwerdekammer zu prüfen, ob das EPA befugt sei, den Antrag des Anmelders auf internationale vorläufige Prüfung anders auszulegen als das britische Patentamt in seiner Eigenschaft als IPEA. Die Juristische Beschwerdekammer räumte zwar ein, dass der Antrag an die IPEA gerichtet sei, die ja auch für dessen Bearbeitung zuständig sei. In J 26/87 (ABl. 1989, 329) wurde jedoch entschieden, dass die Auslegung des Erteilungsantrags durch das Anmeldeamt und das Internationale Büro für das EPA in seiner Eigenschaft als Bestimmungsamt nicht verbindlich sei. Mit der wirksamen Bestimmung falle die Angelegenheit in die Zuständigkeit des EPA als Bestimmungsamt (Art. 2 xiii) PCT, Art. 153 (1) EPÜ 1973). Im vorliegenden Fall war die Juristische Beschwerdekammer der Auffassung, der Antrag sei mangelhaft und der Anmelder hätte nach R. 60 PCT zur Behebung der Mängel aufgefordert werden müssen. Eine von der im Antrag bekundeten Absicht eindeutig abweichende Auslegung der IPEA sei für das EPA nicht verbindlich. Dieses könne sich deshalb als wirksam ausgewähltes Amt betrachten. Infolgedessen komme die in der (bis 1. März 2000 geltenden) R. 104b (1) EPÜ 1973 vorgesehene Frist von 31 Monaten zur Anwendung.